Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
etwas, das ich auch wollte. Es war nur eine heftige Reaktion der Trauer. Bestimmt war es das.
»Ich habe das Gefühl, sie überall zu sehen, Nicholas.«
»Josephine?« Eigentlich wehrte sich alles in mir, auch nur ihren Namen auszusprechen. Es half ein wenig, ihn bloß zu flüstern.
»Ja. Ich glaube einfach nicht, dass sie weg ist.«
»Ich auch nicht.«
»Bei jedem Menschen, den ich ansehe, denke ich, sie ist es. Ich konnte nicht ins Dairy Queen gehen, weil Mr Denley da war und mich anstarrte. Ich bin ganz steif und starr geworden, weil ich dachte, gleich nimmt er ein Messer und greift mich an. Und im Supermarkt habe ich mich sogar vor einem Kleinkind gefürchtet.«
Ich drückte sie. Schuldgefühle nagten an mir, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, mir so was vorzustellen. Ich hatte nur an mich gedacht, an meine Magie und daran, ob die Leute in der Stadt uns glauben würden – dabei brach meine Freundin komplett zusammen. Ich war echt das Letzte. Das musste ich wieder gutmachen. »Wir lassen uns was einfallen. « Die Schutzamulette. Die würden wir doch noch basteln. Jetzt eben zu zweit.
»Ich kann aber auch nicht aufhören zu weinen.«
Ich umarmte sie so sanft wie möglich, um ihr das Gefühl zu geben, dass ich immer bei ihr bleiben würde.
So blieben wir stehen, während die Autos langsam an uns vorbeifuhren und der Wind mir den warmen Sonnenschein aus dem Gesicht blies.
»Warum darf sie weiterleben und Reese nicht?«, fragte Silla schließlich.
Darauf wusste ich keine Antwort. »Es tut mir so leid«, flüsterte ich.
»Du hast meine Masken zerbrochen, Nick.«
»Was?«
»Meine Masken. Du hast sie zerstört.«
Sie hörte sich gar nicht ärgerlich an, aber ich löste mich trotzdem von ihr.
»Wenn du es nicht geschafft hättest, durch sie hindurchzusehen, wäre ich nie im Leben auf die Idee gekommen, dass ich sie … dass ich sie nicht brauche. Aber du bist einfach auf der Bildfläche erschienen, hast daran vorbeigesehen, hast mich gesehen und alles, was ich war und konnte … Du kanntest die Magie, du kanntest alle Geheimnisse.« Ihre Brust hob und senkte sich und ihre Stimme wurde härter.
Betroffen ließ ich sie los. Sie blieb mit dem Rücken zu mir stehen.
»Niemand hat uns je davon erzählt. Von diesen grässlichen Geheimnissen. Magie! Blutmagie. Und Dad wusste das alles und hat nichts gesagt. Er ist selbst schuld, dass er sterben musste und dass Mom tot ist. Reese hatte recht. Es spielt keine Rolle, wer geschossen hat.« Jetzt wirbelte sie zu mir herum. »Ich weiß jetzt, wie Reese sich gefühlt hat.« Sie ballte die Fäuste und hob sie zwischen uns. »Hier! Ich will was kaputt machen, irgendwo draufhauen. Egal was, ich bin so wütend, Nick. Reese hatte recht und jetzt ist er tot und ich bin ganz allein.«
Ich zuckte zusammen. Ich dachte, sie hat doch mich, aber wie hätte ich das sagen können? Ihre ganze Familie war tot.
»Es tut mir leid, Nick.« Sie hielt die Augen geschlossen. »Ich brauche nur … Ich weiß nicht, was ich brauche. Nimm diese Kiste von mir. Bitte.«
Vielleicht hätte ich nicht auf sie hören sollen. Möglicherweise wäre es besser gewesen, ich hätte mich gewehrt. Langsam wurde ich selbst sauer, weil ich endlich die Magie für mich angenommen und sie gut genutzt hatte, und zwar ohne von den dümmlichen Entscheidungen meiner Mutter verfolgt zu werden. Und jetzt wollte Silla nichts mehr damit zu tun haben. Anscheinend zählte ich für sie nicht als jemand, den man brauchen konnte. Jemand, der sie brauchte. Ich wusste nicht, was das alles für uns bedeutete.
Ich nahm also die Kiste meiner Mutter an mich und ging.
Nach ein paar Schritten hörte ich, wie die Tür des Lasters quietschte. Ich hörte sie weinen. Doch ich packte die Kiste nur noch fester, bis meine verletzte Hand wieder wehtat. Sie erinnerte mich wieder und wieder daran, dass die Magie zu mir gehörte.
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Silla
Grandma Judy brachte uns mit ihrem kleinen Käfer zur Kirche. Ich versuchte verzweifelt, meine Übelkeit niederzukämpfen, und sah zu, wie der strahlende Morgen an uns vorbeisauste. Besonders beerdigungsmäßig war er nicht. Überall war so viel Farbe: die Herbstblätter, der blaue Himmel, die grelle Sonne. Alles prall und selbstsicher. Ganz im Gegenteil zu mir. Reese hätte jetzt irgendwas Blödes gesagt, aber mir fiel nichts Passendes ein.
Mir war schrecklich schlecht und ich wünschte, ich hätte die rasch zur Neige gehende Flasche mit Pepto-Bismol mitgenommen, der ich in den
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