Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
dem Daumen rieb sie mit hektischen Strichen über die Handfläche ihrer anderen Hand.
Ich nahm ihre Hand und strich mit beiden Daumen darüber. Ihre Haut war wärmer, als ich es je erlebt hatte – geradezu heiß. Ich sah mir ihre Hand an. In der Mitte verlief eine dünne rosafarbene Linie. Sie sah aus wie eine alte Wunde, deren Ränder an ihrer Haut zogen und ihre Lebenslinie leicht verzerrten. Sie hätte sich aus Versehen verletzt haben können, hätte gestolpert und auf einen Stein gefallen sein können oder sich an einem gesprungenen Teller geschnitten haben können. Was auch immer.
Doch ich wusste, dass es nicht so war. So genau wie ich wusste, dass ich in dieser Cowboystadt nicht mein Leben verbringen wollte, wusste ich, dass Silla sich diese Wunde selbst zugefügt hatte.
Sie holte zischend Luft und wollte mir ihre Hand entziehen.
»Silla.« Ich sah ihr ins Gesicht. Erzähl mir von der Magie.
Sie wich meinem Blick aus. »Ich muss hier weg.«
»Komm, wir gehen.« Ich stand auf und zog sie an der Hand hoch.
»Nick, du musst nicht … Ich meine, bleib doch.«
»Nee, das ist nicht mein Ding hier. Ehrlich gesagt, und da gerade vom Ausflippen die Rede war, würde ich am liebsten zur Axt greifen und diese Lautsprecher zerhacken.«
»Kannst du mich nach Hause bringen?«
Ich verzog das Gesicht. »Ich bin nicht mit dem Auto hier, leider. Heute Morgen hatte ich plötzlich einen Platten.«
Silla zögerte und sog ein wenig die Unterlippe ein. »Und zu Fuß?«, fragte sie dann.
»Na, klar.«
Wir gingen Hand in Hand nach draußen. Ich fing Erics Blick auf und winkte ihm zu. »Wo lang?« Mehrere Leute bemerkten uns, unsere verschränkten Hände und dass wir zusammen die Party verließen. Gut.
Silla zog mich nach rechts. »Wenn wir diesen Weg nehmen, sind es nur zwei Kilometer.« Sie zeigte in die Landschaft.
»Kein Problem, Hauptsache, dir wird nicht kalt.«
»Ich werde es überleben.«
»Und wenn, wird mein Whiskey dich vor der Unterkühlung schützen.«
Sie blieb stehen und sah mich kurz an. »Und was ist mit dir?«
Ich musste lächeln. »Mich hoffentlich auch.«
Wir liefen eine Weile schweigend dahin. Es gab keinen richtigen Weg und wir stapften durch kniehohe Gräser. Die Hose würde ich in die Reinigung geben müssen; ich wünschte, ich hätte etwas Praktischeres angezogen, zum Beispiel Jeans. Egal. Silla dagegen stürzte sich ins Grüne, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an ihre Klamotten zu verschwenden. Ich stellte mir vor, wie meine Ex über irgendetwas anderes als Beton oder von Hand gepflegte Rasenflächen marschiert wäre, und musste kichern.
»Was?«, fragte Silla.
»Ich habe mir nur gerade vorgestellt, wie bestimmte Mädchen aus Chicago in solchen Felder zurechtkämen.«
»Hast du Heimweh?«
»Nach den Zicken? Bestimmt nicht. Hier gefällt es mir besser. « Ich drückte ihre Hand.
»Ich meinte nach Chicago.«
»Oh.« Ich zog den Laut lang, als hätte ich gerade erst kapiert, was sie meinte. Sie verdrehte die Augen und lächelte. »Das ist was anderes. Ja, Chicago vermisse ich fast die ganze Zeit. Da gab es immer was zu tun. Filme, Clubs, Bibliotheken. Ich konnte überall in die El einsteigen und irgendwo in der City wieder aussteigen.« Ich zuckte mit den Achseln. »Da braucht man kein Auto.«
»Hört sich nach vielen Menschen an.«
»Ja, das war super.«
»Warum seid ihr hergezogen?«
»Ha, also, das ist so: Mein Vater ist Anwalt und fand, für meine Stiefmutter wäre es das Beste, aus Chicago rauszukommen. Angeblich war da ein Stalker oder so. Alles streng geheim. Würde mich nicht wundern, wenn noch was Illegaleres im Spiel gewesen wäre. Oder sie hat sich das alles ausgedacht, damit Dad ganz viel Mitleid mit ihr hat. Sie sind erst ein paar
Monate verheiratet. Vielleicht kam ihr das recht, um ihn noch fester zu krallen. Und um uns in die Pampa zu verschleppen.«
»Wow.«
»Es passte natürlich super, dass Großvater Harleigh genau zum richtigen Zeitpunkt den Geist aufgab.«
»Hast du ihn gekannt?«
»Nein, ich habe ihn nur einmal im Leben gesehen. Keine Ahnung, warum er mir das Haus vermacht hat. Wahrscheinlich gab es keine anderen Familienmitglieder mehr.«
»Und gehst du nach dem Abschluss wieder nach Chicago?«
»Irgendwann bestimmt. Ab und zu.«
»Aber du willst da nicht mehr leben?«
»Nein.«
»Was hast du denn vor? Willst du aufs College?«
Wir sprangen über einen kleinen Bewässerungskanal. »Ich will meine Mom finden.«
»Wieso? Weißt du nicht, wo sie
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