Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
ist?«
»Als ich zum letzten Mal was von ihr gehört habe, tat sie in New Mexico so, als gehörte sie zu den Ureinwohnern.«
»Was?«
»Wir sind zu einem Vierundsechzigstel – ungefähr – Cherokee, jedenfalls minimal. Und sie behauptet, sie würde einen Zug zu ›der alten Lebensweise‹ verspüren. Leider hat sie keine Nachsendeadresse hinterlassen, sonst hätte ich ihr sagen können, dass die Cherokee nie ein Wüstenvolk gewesen sind.«
»Wie alt warst du denn, als sie weggegangen ist?«
»Beim ersten Mal? Acht. Ich kann mich nicht mehr wirklich dran erinnern, außer daran, dass ich im Krankenhaus war. Sie hatte das ganze Badezimmer vollgeblutet – bei einem wirklich klischeemäßigen Selbstmordversuch. Drogen waren auch im Spiel, sagt Dad. Sie machte einen Entzug, wurde rückfällig, als ich neun war, und versuchte wieder, sich umzubringen. Dann
der nächste Entzug und immer so weiter. Dann hat sie mit ihrem Dealer gevögelt, was Dad zum Anlass nahm, sich scheiden zu lassen. Er bekam das volle Sorgerecht und eine einstweilige Verfügung mit Kontaktverbot für sie. Mit dreizehn habe ich sie zum letzten Mal gesehen. Ab und an kam eine Postkarte. Angeblich hat sie eine Entziehungskur gemacht und ist auf dem richtigen Weg. Vielleicht gelingt es mir ja nach der Schule, das selbst herauszufinden. Wenn ich erst mal achtzehn bin, kann mein Vater mich nicht mehr von ihr fernhalten.« Ich schwieg. Es war sehr lange her, dass ich das jemandem so genau dargelegt hatte. Offenbar war dies der Abend zum Geschichtenerzählen.
Silla sagte eine Weile nichts. Ich sah zu, wie meine polierten schwarzen Schuhe durch welkes Gras stapften, und stellte mir vor, wie Mom in einer Pension oder an einem Busbahnhof saß und ein paar Worte für mich auf eine Postkarte kritzelte. Sobald sie die Briefmarke draufgeklebt hatte, vergaß sie dann wieder monatelang, dass es mich überhaupt gab. Oder sie machte sich mal wieder mit einer Rasierklinge über ihre Handgelenke her. Es war zu viel verlangt, zu hoffen, dass sie damit aufgehört hatte. Es war die reinste Sucht. Aus irgendeinem Grund, den sie niemandem verriet, hegte sie einen Hass auf ihr Blut. Und wenn sie es nicht auslaufen lassen konnte, benutzte sie Drogen, um die Macht der Magie zu verdünnen.
»Das ist schrecklich, Nicholas«, sagte Silla schließlich in einem sehr formellen Tonfall, wie um ein Ritual abzuschließen. So würdigte sie das, was ich durchgemacht hatte, auf völlig andere Weise, als ich es bisher erlebt hatte.
»Ich mag es, wenn du mich so nennst«, gab ich zu. »Es ist echt.«
»Nicholas«, sagte sie noch mal, aber gedehnt.
Mir lief ein Schauer über den Rücken und ich musste die
Schultern anspannen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. »Und wie steht es mir dir, Silla? Was hast du vor, wenn du die Highschool geschafft hast?«
Als sie zusammenzuckte, hätte ich gern gewusst, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war. »Weiß ich nicht«, sagte sie nur. »Wahrscheinlich gehe ich aufs College. Eigentlich wollte ich mich an der Southwestern State in Springfield bewerben. Sie haben eine hervorragende Theaterabteilung.«
»Das heißt, du willst schauspielern.«
»Das fand ich schon immer toll: Aufführungen. Das Publikum, die Sprache, die Handlung und vor allem die ganze Energie dabei. Aber das muss ich erst mal wieder spüren, weißt du.«
»Im Augenblick spürst du wahrscheinlich nicht sonderlich viel.«
»So ist es leichter.«
Die Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich blieb stehen. Als sie es merkte, blieb sie auch stehen und drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir um. Ich ging einen Schritt auf sie zu, ließ ihre Hand los und legte beide Hände an ihre Wangen. Dann küsste ich sie.
Ich legte nur sanft die Lippen auf ihren Mund, um ihre Reaktion abzuwarten. Ich roch ihr Make-up, so puderig und fein. Ihr Lippenstift schmeckte vage nach einer süßen, scharfen Frucht.
Silla krallte ihre Finger in den Saum meiner Weste und schmiegte sich an mich. Auf einmal merkte ich, wie das Blut in meinen Ohren rauschte. Es übertönte die Nachtkäfer und den Wind, der knisternd durch das welke Laub fuhr. Silla erschauerte und löste ihren Mund von meinem. Dann legte sie die Stirn an meinen Hals. Ihre Nase war eiskalt. Ich schlang die Arme um sie, drückte sie fest an mich und legte mein Kinn auf ihren Scheitel. Sie klammerte sich an mich, als würde sie
Schutz suchen. Als ich ihr einen Kuss auf die Haare drückte, hob sie den
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