Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
darauf achteten, nicht in Kuhfladen zu treten, musste ich Nick immer wieder ansehen. Ich wollte wieder in seine Haare greifen, mich darin vergraben, bis der Hut abfiel – ich wollte ihn küssen! Im Mondlicht konnte ich seine Miene nicht entschlüsseln, aber er dachte offenbar angestrengt nach. Wahrscheinlich über mich
und die Blutmagie. Hoffentlich plante er nicht bereits seinen Abgang.
Ich bekam eine Gänsehaut von dem kalten Wind und ging schneller. Wahrscheinlich hätte ich mich darüber aufregen sollen, dass mir die Magie nun auch noch zufällig von der Hand ging, aber es gelang mir einfach nicht. Es war so eine schöne Nacht; ich war mit einem tollen Typen zusammen, der mich zum Lächeln brachte und mich nicht für verrückt hielt. Die Magie war einfach eine spontane Explosion meiner guten Stimmung, meines Herzklopfens gewesen, mit dem Blut auf meiner Lippe als Katalysator. Das von unseren Küssen kam. Es war also unsere Stimmung gewesen.
»Sind wir schon am Friedhof?«, fragte Nick.
Ich kehrte in die Gegenwart zurück. Meine Finger kribbelten. Jenseits der niedrigen Steinmauer kamen die ersten milchig weißen Grabsteine in Sicht. »Jep. Du wohnst da hinten.« Ich zeigte nach rechts. »Das Dunkle drum herum sind die Bäume.«
»Gut.« Er nickte nachdenklich. »Warum warst du neulich abends dort? Mit dem Blatt? Muss es ein Friedhof sein?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich bin einfach gerne da, in der Nähe meines Vaters.«
Wir kletterten über die Friedhofsmauer. »Werden hier viele Leute beerdigt?«
»Nein. Meine Eltern waren seit Jahren wieder die Ersten. Dein Großvater liegt auf dem modernen Friedhof im Norden von Yaleylah. Ich kann gar nicht verstehen, wieso man sich da beerdigen lassen will. Es ist total steril da, so unecht.« Ich senkte meine Stimme. »Im Gegensatz zum Tod.«
»Manchmal hätten die Menschen ihn wohl gerne so. Sieh dir die Soldatenfriedhöfe an. Reihenweise kleine weiße Grabsteine, einer wie der andere. Schlicht und ordentlich. Mit Krieg hat das nichts zu tun.«
Ich wollte wieder seine Hand halten. Er ging etwas weiter vor mir um ein langes, niedriges Grab herum. Ich sah ihm einfach beim Laufen zu. Er war so schlaksig und so groß. Wie ein halbwüchsiges Tier, dessen Pfoten noch zu breit, dessen Beine viel zu lang sind. Und von dem man doch weiß, dass es irgendwann in alles hineinwächst und dann wunderschön werden wird. Mit verwuscheltem Hut-Haar.
Als ich merkte, dass ich ausgerechnet auf dem Friedhof, auf dem meine Eltern beerdigt waren, so ins Schwärmen geriet, verging mir das Lächeln. Ich holte ihn rasch ein.
Er sah mich an. »Alles okay?« Dabei zog er die Augenbrauen hoch. Sein Gesicht war entwaffnend offen.
»Jep.« Doch ich senkte das Kinn und ging so schnell weiter, dass ich praktisch durch die Kurven des überwucherten Friedhofpfads joggte. »Wenn wir diese Abkürzung nehmen, müssen wir nur an der Mauer entlang zu unserem Haus gehen.«
Er hob die Augenbrauen noch höher.
Ich blieb stehen und lachte nervös. »Falls du, äh, noch mitkommen möchtest. Du bist herzlich eingeladen.«
Nick kam zu mir, schlang die Arme um mich und küsste mich. Er beugte sich weit über mich, wie eben beim Tanzen. »Sehr gerne«, sagte er an meinem Mund, bevor er uns beide wieder aufrichtete.
Mir blieb die Luft weg. Ich nickte nur, drehte mich um und führte ihn rasch über den tückischen Pfad.
14
Silla
Ich starrte auf den Wasserkessel und konzentrierte mich auf das hohe Zischen der platzenden Blasen darin, um mich davon abzulenken, dass Nick mich um Haaresbreite mit dem Arm gestreift hätte, als er die Hand ausstreckte und den weißen Rüschenvorhang anhob.
»Meine Stiefmutter würde tot umfallen, wenn sie hier reinkäme. Darf ich sie mal einladen?«
»Was hast du eigentlich gegen sie?« Ich schwang mich auf die Arbeitsplatte neben die beiden gleichen Tassen, über deren Ränder die Papierfähnchen der Teebeutel baumelten.
»Sie kam in Dads Büro, um ihn auf die Sache mit dem Stalker anzusetzen, und ich bin ziemlich sicher, dass sie spätestens abends zusammen im Bett waren.« Er zuckte mit den Achseln, während er immer noch aus dem Fenster schaute.
Ich legte die Füße übereinander und schwang die Beine, bis meine Absätze an die Schränke schlugen.
Nick wandte den Blick und merkte, wie ich ihn anstarrte. Ich leckte mir über die Lippen und senkte den Blick auf meine Ringe.
»Und seitdem«, fuhr er fort, »tut Dad, was Lilith sagt.« Er ging zum Küchentisch, zog
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