Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
Orangensaft und ein halb aufgegessenes Würstchen heraus.
»Nick, bist du das?«
»Ja-a!«, rief ich zurück. Es war mir sogar egal, ob Lilith nun kam und sich unterhalten wollte.
Sie rauschte in die Küche und wischte mit dem seidenen Saum ihres Morgenmantels über den Boden. »Darling, ich kann dir auch was kochen, wenn du Hunger hast.«
»Lass stecken, ja?« Ich lächelte.
Sie blieb stehen. »Was genau?«
»Na, diese Mütterlichkeit. Die Hausfrau.« Eigentlich hätte ich daraufhin mit einem Wutanfall gerechnet oder mit einer kühlen Bemerkung plus Abgang. Ich schwang mich auf die Arbeitsplatte, in Gedanken bei Silla. Mein Flachmann pikte mich in den Hintern, aber ich wollte ihn nicht vor Lilith aus der Tasche ziehen.
»Runter da, Nick.«
Ich blieb sitzen und zog mir das Würstchen rein.
»Wie ich sehe, mache ich alles nur noch schlimmer.« Sie zog sich einen Stuhl von der Kochinsel heran und setzte sich. Dann faltete sie ihre langen Finger, als wollte sie für mein Seelenheil beten. »Also, wie soll ich mich denn deiner Meinung nach verhalten? Soll ich so tun, als wärst du gar nicht da? Oder soll ich dich wie Müll behandeln, den ich lieber heute als morgen rauswerfen würde?«
»Das wäre doch eine nette Abwechslung.«
»Deinem Vater würde es gar nicht gefallen.«
»Man kann nie wissen, er beachtet mich auch kaum.«
Einen Augenblick dachte ich, sie würde sich auf Dads Seite schlagen, doch stattdessen seufzte sie. »War es schön auf der Party? Lange bist du ja nicht geblieben.«
»Mach dir keine Sorgen, ich hab auch eine abgekriegt.«
Sie verzog den Mund. »Abgekriegt? Das soll doch hoffentlich nicht heißen, dass du Sex hattest, Nicholas.«
Da beschloss ich ein für alle Mal, dass mich von nun an nur noch Silla so nennen durfte. »Nick. Für dich heiße ich Nick, okay? Und echt, Mann, diese Unterhaltung stinkt mir.« Als ich von der Arbeitsplatte glitt, machten meine Schuhe ein dumpfes Geräusch. »Ich gehe ins Bett.« Nachdem ich den Rest des Würstchens wieder in die Plastikfolie gepackt und in den Kühlschrank zurückgelegt hatte, drehte ich mich noch mal zu Lilith um. »Der Abschleppwagen kommt um neun. Bis dann.«
»Gute Nacht, Nick.« Sie stand geschmeidig auf.
Ich ging, aber ich spürte ihren starren Blick zwischen den Schulterblättern. Brr!
Silla
Im Mondlicht war der Weg fast so gut beleuchtet, als wenn die Sonne geschienen hätte. Ich hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen, und ließ mich treiben.
Mit den Fingern strich ich über die vertrauten Grabsteine. DAVID KLAUSER-KEATING, SEINE SEELE RUHE IN FRIEDEN, GESTORBEN 1953. Die Klausers wohnten immer noch hier, sie betrieben eine Tankstelle. Neben ihm lag: MARGARET
BARRYWOOD, 1912 – 1929, UNSERE GELIEBTE TOCHTER. Als sie starb, war sie so alt wie ich. An ihrem Grab machte ich Halt, trommelte auf ihren Grabstein aus unbehauenem Granit und überlegte, ob sie je einen Jungen geküsst hatte.
Hoffentlich.
Ich lächelte. Diese Art von verhaltenem Lächeln, bei dem sich von den Lippen bis zum Haaransatz das ganze Gesicht verändert. Ich musste lachen und schlug verlegen die Hände vor den Mund. Dann legte ich den Kopf in den Nacken und grinste den Mond an, der von weit oben wie ein Scheinwerfer auf mich herabschien: Hier kommt Silla Kennicot. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich es gar nicht abwarten, wieder auf der Bühne zu stehen, bei aufgezogenem Vorhang, und die Arme auszubreiten, um mit dieser Geste das Publikum zu bitten, mich in seinen Applaus zu hüllen. Die Grabsteine waren meine Zuschauer, und ich wollte, dass sie diesen Augenblick in ihr Gedächtnis schlossen, so wie ich mich immer an den Abend erinnern würde, an dem ich Blut vergossen und das Leben auf den Friedhof zurückgebracht hatte.
An den Augenblick, in dem ich mich wieder lebendig gefühlt hatte.
Mit überquellender Inspiration lief ich zu meinen Eltern. Ich wusste nicht, ob sie mir auch zuhörten oder ob ihre Seelen ihr lebendiges, sich verzehrendes Mädchen überhaupt erkannten, aber ich musste ihnen einfach von Nick erzählen.
Als ich weiterhastete, rauschte ich an meinem steinernen Publikum vorbei. Die kalte Luft stach in meiner Kehle, in meinen Lungen. Rutschend kam ich zum Stehen, die Blätter knisterten unter meinen Stiefeln. Hier stimmte etwas nicht. In der klaren Luft hing ein scharfer Geruch.
Langsam ging ich um ihren breiten Doppelgrabstein herum und hielt den Atem an.
Vor Entsetzen schluchzte ich laut auf.
Ein roter Fleck machte
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