Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
liegen. Ich hatte sie so schnell, so plötzlich erschaffen. All meine Energie war für Küsse und Blüten draufgegangen.
»Papperlapapp, das ist doch lächerlich. Nick ist schon groß, natürlich kann er laufen. Du bist viel zu müde und er ist sicher ein Gentleman.« Damit war das Thema für sie erledigt. Sie sammelte die Teetassen ein und stellte sie ins Spülbecken.
»Das geht schon, Sil.« Nick nahm meine Hand. »Gehst du noch ein Stück mit?«
Die verheilte Narbe in meiner Hand kribbelte. »Jep.«
Draußen führte ich ihn an den Rand unseres Hinterhofs, wo die Forsythien sich zu einer hohen, schlanken Hecke zusammenschlossen. Wir schlüpften durch eine schmale Lücke und schon lag die verfallene alte Friedhofsmauer vor uns.
Wir liefen schweigend, die Finger ineinander verflochten. Der Mond war so hell, dass nur die größten Sterne zu sehen waren. Von Westen trieben einige Federwolken heran; sie sahen aus wie dunkelgraue Pinselstriche am Horizont. Seufzend drückte ich Nicks Hand. Auf einmal schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Mom hätte ihn gemocht.
Ich hatte einen Kloß im Hals und wandte mich ab, damit Nick mein schmerzverzerrtes Gesicht nicht sehen konnte. Und wenn ich jetzt und in der Zukunft einen Jungen noch so gern hatte, würde ich dennoch nie wieder diesen etwas unangenehmen
Augenblick erleben, wenn ich ihn meiner Mutter vorstellte. Oder nervös werden, wenn Dad ihn von oben bis unten musterte, nur um dann zu sagen: »Ophelia hat es auch nicht besser gemacht.« Wenn der Junge dann lachte, hatte er den Test bestanden.
»Silla?«
Nick zog sanft an meiner Hand, damit ich ihn ansah. Von hier aus war es genauso weit zu seinem wie zu meinem Haus. Wir standen neben einer verschmutzten Cherubstatue, und ich hielt den Blick gesenkt, weil ich nicht wusste, wie gut ich mich unter Kontrolle hatte. Meine meergrüne Maske wartete schon darauf, zum Einsatz zu kommen.
»Woran denkst du?«, fragte er.
»An Ophelia.«
»Hamlets Freundin?«
»Ja.«
»Die sich ertränkt hat?«
»Ja.«
Er trat so nah an mich heran, dass ich den Kopf heben musste, wenn ich nicht wollte, dass er mit dem Kinn an meine Nase stieß. Wir küssten uns. »Wie wäre es mit einem glücklicheren Mädchen?«, murmelte Nick, als er sich von mir löste. »Zum Beispiel mit … nein. Äh … nein. Hilfe, mir fallen nur Mädchen aus Shakespeares Tragödien ein. Gibt es auch eine, die es gut hat und glücklich wird bis an ihr Lebensende?«
»Miranda. Aus Der Sturm . Sie wuchs mit Magie auf.« Ihr Vater war ein großer Zauberer . Ich lachte grimmig.
»Okay, Miranda, Süße. Vielen Dank für den Tee.«
Das Mondlicht beleuchtete sein kantiges Gesicht. »Es … hat Spaß gemacht«, sagte ich und merkte sofort, wie blöd das war. Um es ungeschehen zu machen, küsste ich ihn. Er erwiderte den Kuss, achtete aber darauf, dass wir uns ansonsten nicht
berührten. Dann wich er zurück. »Und, Magic Girl, wirst du mir noch mehr davon zeigen?«
Vor Aufregung überlief mich eine Gänsehaut. »Ja. Komm morgen Nachmittag auf den Friedhof.« Ich musste ihn noch mal küssen. Dann schmiegte ich mich heftig an ihn. Ich wollte ihn nicht gehen lassen.
Stöhnend wehrte Nick mich ab. »Süße, wenn du so weitermachst, komme ich hier nie weg.«
Ich schlang die Arme um meinen Körper und ging einen Schritt zurück. »Sorry.« Seine Wärme fehlte mir jetzt schon.
»Nicht doch … Es ist nur …« Er streckte die Hand aus, ließ sie aber wieder sinken.
»Bis morgen.«
»Ja.«
Wieder rührte sich keiner von uns beiden. Wir starrten uns an, bis Nick anfing zu grinsen. »Darf ich dich zum Abendessen einladen?«
Ich kicherte, weil es mich überraschte, wie entzückt ich von der Vorstellung war, ein Date mit Nick zu haben. »Ja.«
»Und tschüss.« Mit einer munteren Geste wandte er sich ab und lief durch die Gräberreihen davon.
»Tschüss«, flüsterte ich. Dann blieb ich im Mondlicht stehen, bis meine Zähne klapperten.
Nicholas
Mädchen inmitten von Blüten
In Technicolor ein Kuss
Den ich nachts will behüten
So lang ich warten muss …
Ich war in einer sonderbaren Stimmung. Wahrscheinlich spukten mir deshalb die Reime durch den Kopf. Ich gab mir gar nicht erst viel Mühe, mich ins Haus zu schleichen, sondern marschierte direkt durch die Garage, versetzte Liliths Gärtnerstiefeln einen kräftigen Tritt und ging in die Küche. Summte ich vor mich hin? Könnte sein.
Auf dem Weg zum Kühlschrank klackerten meine Schuhe auf den Fliesen. Ich holte
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