Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
sich einen Stuhl heran und setzte sich an die Kopfseite. »Als wir von Großvaters Tod hörten, schwärmte sie in einer Tour: ›Das ist der perfekte Ort für eine Schriftstellerin.‹ Abgesehen davon hätte sie keine Lust, neben
ihrer literarischen Karriere Kinder in der Stadt großzuziehen. Kinder. Ist es zu fassen? Der Mann ist fast fünfzig.«
»Und sie?«
»Oh, jünger. Zweiunddreißig.«
Als der Wasserkessel heulte, glitt ich von der Arbeitsplatte und nahm ihn in dem Moment vom Herd, in dem er anfing zu pfeifen. Ich goss das kochende Wasser in die Tassen und legte Untertassen darauf. »Er muss noch ziehen«, erklärte ich, weil Nick fragend die Augenbrauen hochgezogen hatte, und trug die Tassen vorsichtig zum Tisch. Dann setzte ich mich an die Längsseite und stützte die Ellbogen auf. »Du … Also, du musst nicht bleiben.«
Er saß reglos da wie eine Statue. »Möchtest du, dass ich gehe?«, fragte er leise. Er sah mir in die Augen und dann auf den Mund.
Ehe ich wusste, was ich tat, schob ich meinen Stuhl zurück. Ich stand auf, ich ging zu Nick. Er neigte den Kopf, um meinem Blick standzuhalten. Im hellen Küchenlicht sah er älter aus. Ruhig und stark. Er hatte die Hände auf die Knie gelegt; sie waren groß und breit, als könnten sie alles halten. Seine braunen Augen wirkten im Licht unseres Messing-Kronleuchters heller. Er blinzelte und ich berührte seine Wange, strich mit den Fingern vom Augenwinkel, wo er irgendwann Falten bekommen würde, abwärts.
Flatternd schloss ich meine Lider, als ich ihn küsste.
Wir hielten lange still. Unsere Lippen lagen aufeinander, wir atmeten kaum. Dann legte Nick die Hände auf meine Hüften und ich sank auf seinen Schoß. Ich öffnete die Augen, er war so nah. Ich küsste ihn auf den Mundwinkel, die Wange, dann wieder auf den Mund und öffnete schließlich die Lippen, um ihn probieren zu lassen. Es ging ganz gemächlich und ich fühlte mich wohl dabei, ihn zu küssen und den Duft seiner
Haut und des Gels zu atmen, mit dem er sein Haar zurückgekämmt hatte. Meine Haut kribbelte, aber anders als die Magie tat das Küssen nicht weh.
Nick legte die Hände an meinen Hals und meine Wangen und spielte mit den Haaren hinter meinen Ohren. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich wollte ihn nie wieder loslassen.
Eine Autotür wurde zugeknallt und dieses gedämpfte Geräusch durchbrach meine Verzückung. Ich lehnte mich keuchend zurück und sah Nick in die Augen. Sein Blick war trüb und benommen, ganz leise sagte er: »Wieso?«, wie ein Kind, das aus undurchsichtigen Erwachsenengründen in die Ecke gestellt wurde.
Ich gab ihm noch einen leichten Kuss. »Weil jemand nach Hause gekommen ist.«
Er runzelte die Stirn, während er langsam begriff, was ich gesagt hatte. Dann blinzelte er. »Oh. Dein Bruder?«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch Grandma Judy.« Zögernd stieg ich von seinem Schoß.
Nick fuhr sich mit den Händen durchs Haar, hielt inne und verdrehte die Augen nach oben, wie um den Schaden zu begutachten.
Seine Haare standen in alle Richtungen. Ich musste kichern.
»Verdammt, habt ihr ein Badezimmer?«
»Im Flur, die erste links.«
Er verschwand in aller Eile und ich deckte unsere Teetassen auf. Dampf quoll heraus. So lange hatten wir uns also doch nicht geküsst. Keine reine Ewigkeit, wie es mir vorgekommen war. Ich schloss kurz die Augen. Meine Wangen fühlten sich heiß, meine Lippen wund an. Der dünne Riss in meinem Mund, der zuvor geblutet hatte, pochte im Einklang mit meinem Herzschlag. So hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich stand voll unter Strom.
Die Haustür wurde aufgeschlossen und geöffnet, und ich hörte Grandma Judys Schritte und den Aufprall ihrer Lederhandtasche auf den harten Fliesen im Eingang. Gut, dass es nicht Reese war – obwohl mir gerade einfiel, dass ich ihn bald anrufen musste, um ihm zu sagen, dass ich nicht mehr auf der Party war.
Ich holte mein Handy aus der Tasche und schickte ihm eine SMS: ZU HAUSE IN SICHERHEIT. In dem Moment kam Judy in die Küche. »Hey«, begrüßte ich sie. Ich legte mein Handy auf den Tisch und bot ihr meine unbenutzte Tasse Tee an.
»Du bist ja zu Hause, Silla. Oh, danke, Liebes.« Sie ließ sich mit dem Tee in einen Sessel plumpsen. Mit einer Hand knöpfte sie ihre Jacke auf und mit der anderen zupfte sie sich die Perlenklipse von den Ohren. »Was für ein Abend. Die Mädels hier in der Gegend gucken sich vielleicht komische Filme an.«
»War das Ganze bei Mrs Pensimonry?«
»Ja!
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