Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
Drogen und Aromen zur Heilung von Krankheiten. Langweiliges Zeug. Ich dagegen beobachte den Diakon und frage mich, wie er zu dem wurde, der er ist. Heute Morgen hob er den Blick und lächelte mich an. In seinen Augen habe ich etwas entdeckt, das ich bei Philip noch nie wahrgenommen habe.
Eine Herausforderung.
Während Philip Tinkturen aus einem Reagenzglas in ein anderes träufelte, bat mich der Diakon, ein wenig mit ihm spazieren zu gehen, draußen im hohen Gras der Prärie. Er stellte mir neue Magie in Aussicht.
Ach, wie bin ich froh, dass ich seiner Einladung folgte. Er hat mir neue Horizonte eröffnet! Nie im Leben wäre ich darauf gekommen,
in einen Schwarm Gänse zu fahren, wenn er auf einem See landet oder gar in einen Baum – einen Baum! Oh, meiner Seel. Ich kann kaum in Worte fassen, wie es war, durch die Wurzeln und hoch zu den höchsten Blättern zu strömen, die wie Haar im Wind wehten. Unendliche Macht, unendlicher Friede, denke ich. Der Diakon sagt, es sei das Gefühl von Gott.
Doch Friede erfreut mich nie lange. Ich renne lieber mit den Coyoten oder schieße mit den Adlern über den Himmel. Ich bin auf die Jagd gegangen, mit dem Diakon an meiner Seite. Ich tötete und spürte die Gier, mir den Magen mit dem Fleisch vollzuschlagen, das meine eigenen Krallen gerissen hatten.
Vor langer Zeit lehrte Philip mich, der Besessenheitsfluch wäre wie ein Tanz – ein Tanz mit der Versuchung. Hier dagegen gibt es keine Versuchung, denn ich widerstehe der Wildheit nicht, und auch nicht der Gefahr. Ich bin die ganze Welt.
28
Nicholas
Auf der Fahrt erzählte ich Silla von meinen Erinnerungen an meine Mutter – und auch von jener Erinnerung, die mir immer wieder entglitt, in der Mom sagte, wir müssten Robbie Kennicot retten. Silla berichtete von der Besudelung des Grabs ihrer Eltern und dem Brief eines gewissen Diakons, der ihr auch das Zauberbuch geschickt hatte.
»Moment«, unterbrach ich sie, als wir in unsere gemeinsame Straße einbogen. »Freitagnacht, an dem Abend, an dem auch die Party war – da hat Josephine versucht, die Knochen deines Vaters auszugraben?«
»Muss wohl.«
»Verdammt.« Die Gärtnerstiefel. Verdreckte Gärtnerstiefel, obwohl der Boden viel zu hart war, um im Garten zu arbeiten.
»Was ist, Nick?« Silla fasste mich am Arm.
Ich schüttelte den Kopf. So viele Puzzleteile, die auf einmal zusammenpassten! Ich musste mich schwer darauf konzentrieren, den Lack des Sebring nicht am Tor abzuschrammen, als ich auf die Kieseinfahrt fuhr. Nachdem ich das Auto sicher geparkt hatte, drehte ich mich um und sah Silla an. »Lilith!«
Silla wartete.
»Als ich Freitagnacht nach Hause kam, bin ich über ihre schmutzigen Stiefel gestolpert. Und deine Eltern sind im Juli gestorben, oder? Da war sie wegen des Umbaus hier. Außerdem war sie heute in der Schule.« Ich hatte das Gefühl, als
würde die Welt mich von allen Seiten bedrängen. Ich konnte Lilith nicht ausstehen, aber ich hätte nie gedacht, dass sie eine Mörderin sein könnte.
Silla legte die Hände an mein Gesicht. »Nick. Nick.« Sie küsste mich, wärmte weich meinen Mund.
Alles klar. Ich tat es ihr nach, nahm ihr Gesicht in die Hände. Unser Kuss zerstob und wir lehnten Stirn an Stirn.
»Lass uns reingehen, Nick, und alles noch mal durchkauen. Wir werden die Wahrheit schon herausfinden.«
Ich zog einen Mundwinkel hoch. In Nullkommanichts hatte sich der Tröster in einen Trostsuchenden verwandelt. »Okay, Süße.«
In dem Moment, als ich ausstieg, fuhr Reese mit dem Laster vor. Ich warf die Tür zu und wollte ihn begrüßen, als Silla anfing zu schreien.
Flügel schlugen mir ins Gesicht und meine Stirn tat höllisch weh, während ein kleiner Vogel auf sie losging. Ich duckte mich, schlug nach dem Vogel und rannte um das Auto herum. »Silla! Ins Haus!« Ich konnte sie kaum noch sehen. Sie drosch auf sechs Blauhäher ein, die grässlich kreischten und krächzten. Kleine Krallen harkten über meinen Nacken. Ich wirbelte herum. Sie rissen an meinen Händen und versuchten pickend auf meinem Kopf zu landen. Sie waren überall. Eine Wolke von Vögeln.
Ich rannte. Zwischendurch wurde ich ohnmächtig, einen kurzen, ewigen Moment lang, aber dann rannte ich immer noch, stolperte, fing mich wieder und …
Silla
Als die Vögel wie gleichgeschaltet nach hinten sausten, konnte ich einen Augenblick nach Luft schnappen. »Nick!« Ich ließ den Blick schweifen. Mit einer Hand kramte er in seiner Tasche und holte das Buch heraus. Dann
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