Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
gefiel ihr ganz und gar nicht - auch wenn er ihr Retter gewesen war. Was fiel ihm ein? Er war schließlich nicht ihr Bodyguard. Und was war mit Carol? Immerhin schien sich zwischen den beiden irgendetwas entwickelt zu haben.
Sarah lief ein Schauer über den Rücken. Sie wusste nicht mehr, was sie von Jonathan halten sollte. Aber eigentlich durfte sie ihm keinerlei Vorwürfe machen, er hatte ihr nichts getan. Sie war diejenige gewesen, die ihm Hoffnungen auf mehr gemacht hatte. Was war nur in ihr vorgegangen?
»Sarah, geht es dir nicht gut?«
Sarah wich Dustins besorgtem Blick aus. Sie wollte nicht, dass er jemals auf den Gedanken kam, zwischen ihr und Jonathan sei mehr passiert. Hoffentlich hatte Jonathan keine Andeutungen in diese Richtung gemacht.
»Nein, es geht mir so weit gut. Wie lange habe ich denn geschlafen?« Sarah hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie hätte nicht sagen können, ob ein paar Minuten oder ein ganzes Jahr vergangen waren, seitdem sie Dustin in der Grube gefunden hatte. Dieser gesamte Ausflug kam ihr so unwirklich vor wie ein Traum.
»Es ist kurz nach Mitternacht:, du warst ein paar Stunden lang ohnmächtig.« Dustin blickte zu Boden. »Sarah, ich muss dir dringend etwas sagen. Bitte erschrick jetzt nicht. Es ist ...« Dustin fuhr sich nervös durch die Haare.
»Ja? ... Dustin, was ist? Was willst du mir sagen?« Sarah konnte die Verzweiflung in Dustins Gesicht erkennen und wurde selbst nervös bei seinem Anblick. Immer wieder öffnete er die Lippen und schloss sie wieder, als fände er einfach nicht die richtigen Worte.
Sarah bekam es allmählich mit der Angst zu tun. »Jetzt sag schon, Dustin, ist jemandem etwas Schlimmes zugestoßen?«, flüsterte sie.
Dustin nickte unmerklich.
»Wem? Dustin, ist dir etwas geschehen? Geht es dir wieder schlechter?«
»Nein, mir ... Mir geht es gut. Sarah.« Dustin hob langsam den Blick und sah Sarah in die Augen. Und plötzlich wusste sie, was er nicht schaffte, ihr zu sagen. Mit einem Mal überkam sie die Erkenntnis wie eine Flutwelle, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie war an Dustins Brust eingeschlafen, das Ohr an seinem schlagenden Herzen. Und nun war sie erwacht. Erwacht aus einem Schlaf, der über ihr Schicksal entschieden hatte.
Sarah schloss die Augen. Ganz langsam führte sie ihre zitternde Hand zu ihrer Brust. Kurz bevor ihre Finger sie berührten, hielt sie inne. »Ich habe dir mein Blut freiwillig gegeben, Dustin«, flüsterte sie. »Ich verspreche dir, ich werde dich nicht hassen, egal, was mit mir ist. Ich musste es tun, verstehst du? Mein Herz wollte es so.« Und noch ehe ihre Hand etwas spüren konnte, vernahm Sarah bereits den bekannten Rhythmus tief in ihrem Inneren. Leise zwar, aber unverkennbar.
Bumm-bumm, bumm-bumm, bumm-bumm ...
»Es lebt«, flüsterte sie mit erstickter Stimme und Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen. »Es ist nicht eingeschlafen, es ist nur noch ... müde.«
Als May den Campus erreichte, bog sie zunächst zum Parkplatz ab. Sie ließ ihren Blick suchend über die wenigen Autos schweifen, die dort standen. In der letzten Reihe erkannte sie Jonathans silbernen Chrysler. Er war also wieder hier. May sah auf ihre Armbanduhr. Es war bereits nach zwölf. Sie überlegte kurz, dann machte sie sich auf zum Haupteingang des Wohnheims. Vielleicht war Jonathan noch wach und sie konnte ihm ein paar Fragen stellen. Unauffällig natürlich. Sie musste vorsichtig sein bei ihren Ermittlungen, denn plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, wer hier vor wem etwas verbarg und weshalb.
Der Korridor zu Jonathans Zimmer war menschenleer. Als May seine Tür erreichte, sah sie durch den Türspalt, dass noch Licht brannte. Sie hielt einen kurzen Moment inne, um sich zu sammeln, dann holte sie Luft und klopfte. Kurz darauf näherten sich leise Schritte.
»Ja?«, ertönte Jonathans Stimme von drinnen.
»Hi, ich bin’s, May. Ich weiß, es ist schon spät, aber kann ich dich noch einmal stören? Nur ganz kurz.«
Keine Antwort. May runzelte verwundert die Stirn.
»Jonathan, ist alles klar bei dir?«
»Ja, ja, einen Augenblick nur.«
Der Schlüssel wurde mehrmals im Schloss umgedreht. Was war nur los mit Jonathan? Hatte er etwa plötzlich Angst, ausgeraubt zu werden? So vorsichtig kannte May ihn gar nicht. Meistens schloss Jonathan überhaupt nicht ab. Endlich öffnete sich die Tür. Jonathan hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er sah müde aus.
»Oh, wolltest du gerade schlafen gehen?«
Jonathan nieste.
Weitere Kostenlose Bücher