Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
umgekehrt. Obgleich sie so anmutig und zart wirkte, schaffte sie es, ihm das eigenartige Gefühl zu vermitteln, der Unterlegene zu sein. Ein unbekanntes Gefühl, welches ihn einerseits demütigte, ihm andererseits jedoch aufregend erschien. Dustin brauchte eine Weile, um sich wieder zu fangen und zu seinem Selbstbewusstsein zurückzufinden. Doch dann stand er auf und ergriff kurz entschlossen Emilias Hand.
»Ich weiß, dass du lange Zeit krank warst «, sagte er bestimmt. »Und ich weiß, dass du dich schonen und nicht überanstrengen sollst - dein Vater hat es mehr als einmal betont. Aber um ehrlich zu sein, glaube ich, dass er es mit seiner Vorsicht übertreibt. Schonen heißt ja nicht, sich vorm Leben verschließen zu müssen. Du solltest Spaß haben, ohne immer an die Folgen zu denken. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Unsere Wege haben sich gekreuzt, an einem der schönsten Orte der Welt. Und ich möchte, dass du deine Zeit genießt und viele schöne Erinnerungen mitnimmst. Ich will dich zu nichts drängen und werde dich sofort in Ruhe lassen, wenn du es wirklich von mir verlangst. Aber eigentlich habe ich das Gefühl, du versteckst dich nur hinter deiner Krankheit und sie ist inzwischen zu einer Ausrede geworden, die dich davon abhält, das Leben in vollen Zügen zu genießen.«
»Ach, und woher willst du das so genau wissen?«, fragte Emilia schnippisch und wandte sich von ihm ab. »Du kennst mich doch gar nicht, du weißt eben überhaupt nichts über mich und darüber, was ich durchgemacht habe.«
Dustin machte einen Schritt auf sie zu, packte sie am Arm und drehte sie wieder zu sich, sodass sie sich nun dicht gegenüberstanden. Mag sein, dass ich dich nicht sehr gut kenne, aber du tust ja auch nichts, damit es anders wird. Du verschließt dich vor allem und jedem. Dabei glaube ich, dass du das Leben eigentlich liebst. Das verrät deine neugierige Nase«, fügte Dustin milder und mit einem Lächeln hinzu. »Du hast nur verlernt, es auch zu leben.«
Emilia sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Dann verzogen sich ihre Lippen ebenfalls zu einem leichten Lächeln. Erst kniff sie bemüht ihren Mund zusammen, als wollte sie es unbedingt unterdrücken und vor Dustin verbergen, aber schließlich ließ sie es geschehen und strahlte Dustin an.
»Also gut«, sagte sie. Ich will versuchen, so viel zu erleben und Spaß zu haben wie nur möglich.« Dann hob sie den Kopf, sah in den blauen Himmel und lachte übermütig. Sie lachte und lachte und begann, sich im Kreis zu drehen. Sie wirbelte herum, immer schneller und schneller, sodass ihre roten Haare wie Feuerflammen in der Luft tanzten.
Dustin bestaunte Emilia mit offenem Mund. Sie kam ihm unwirklich und lebendig zugleich vor - wie ein Kunstwerk aus Fleisch und Blut.
Völlig außer Atem hielt Emilia schließlich inne, ließ sich rücklings ins Gras fallen und blinzelte hinauf zur Sonne.
»Es ist tatsächlich schon sehr, sehr lange her, dass ich das Leben in mir gespürt habe«, flüsterte sie. »Viel zu lange ...«
Aufgeschreckt von einem unangenehm schrillen Geräusch fuhr Sarah hoch. Heftig atmend saß sie auf ihrer Matratze und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Das Licht an der Decke brannte nicht mehr, Dustin hatte es anscheinend ausgeknipst. Aber der bläuliche Schein eines Handy-Displays erleuchtete sein Gesicht für ein paar Sekunden. Er schlief friedlich und Sarah konnte seine leisen, gleichmäßigen Atemzüge hören. Sie beugte sich über ihn und griff nach dem Handy. Es war ihres. Wie sie vermutet hatte, war eine SMS eingegangen.
Klar, fiel Spaß! Macht euch schöne Tage trotz Lernen. Ich werde mit einer Kollegin bis Montag oder Dienstag nach Madison fahren. Kannst dich ja mal zwischendurch melden Jetzt brauch ich einen Kaffee. Kuss, Mom
Sarah stutzte. Es war gleich fünf Uhr früh und ihre Mom hatte wahrscheinlich Schichtwechsel. Aber was sollte diese seltsame Andeutung mit Lernen? Sie wollte gerade eine Frage zurück schreiben, als ihr ein Gedanke kam. Sarah wechselte zu dem Ordner mit den gesendeten Nachrichten. Tatsächlich, darin befand sich eine SMS an ihre Mutter, die vor ein paar Stunden abgeschickt worden war. Darin stand, dass Sarah übers Wochenende bei May blieb und sie zusammen lernten. Sie musste unwillkürlich lächeln und ein wohlig warmer Schauer durchströmte ihren Körper. Dustin hatte wirklich an alles gedacht. Er musste die SMS geschrieben haben, während sie sich noch im Halbschlaf befunden hatte und
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