Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
seine Gedanken zu sortieren. Es war alles so schnell gegangen. Er hatte zunächst gar nicht realisiert, dass es Jonathan gewesen war, der ihn und Sarah aus der Grube befreit hatte.
Jonathan hatte recht: Sie mussten Sarah so schnell wie möglich aus dem Wald schaffen. Wer wusste schon, wo SIE sich gerade aufhielt und wann sie wieder an der Grube auftauchen würde, um nach Dustin zu sehen? Die Frage war nur, wohin sie Sarah jetzt auf die Schnelle bringen sollten?
Und vor allem - an welchem Ort war sie im Moment vor IHR sicher?
»Jonathan, bitte hör mir jetzt genau zu«, flüsterte Dustin eindringlich. Er musste seinen Schulkameraden unbedingt auf seiner Seite haben. »Es ist wichtig, dass niemand erfährt, was hier geschehen ist und wohin wir Sarah bringen, hörst du? Selbst wenn dir das alles merkwürdig erscheint und dir sicherlich viele Fragen im Kopf herumschwirren - sprich mit niemandem darüber, okay? Wir müssen sie an einen Ort bringen, wo sie bleiben kann, bis es ihr besser geht. Ihrer Mutter lassen wir irgendeine Nachricht zukommen, in der steht, dass sie übers Wochenende bei einer Freundin übernachtet oder so etwas in der Art. Sie darf sich auf keinen Fall Sorgen machen und auf die Idee kommen, nach ihr zu suchen. Sarah gerät sonst in große Schwierigkeiten.«
Jonathan betrachtete Dustin ein paar Sekunden lang schweigend, dann runzelte er verständnislos die Stirn und öffnete langsam die Lippen, als wolle er nachhaken. Dustins Puls raste vor innerer Anspannung.
»Ja, ich glaube, du hast recht«, erwiderte Jonathan schließlich knapp.
Dustin konnte seine Verwunderung kaum verbergen. War Jonathan nur taktvoll oder interessierte es ihn tatsächlich nicht, was hier vorgefallen war?
Skeptisch fixierte er sein Gegenüber, aber dessen Miene verriet nichts.
»Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn vorerst niemand von der Sache Wind bekommt«, ergänzte Jonathan dann, mehr, als spräche er zu sich selbst. »Die Lage ist auch so schon kompliziert genug.« Dann fügte er nach einer kurzen Pause hinzu: »Ich hab eine Idee, wo wir Sarah verstecken können. Los, komm! Je eher wir sie von hier wegbringen, desto besser.«
Dustin bückte sich, um Sarah vom Waldboden zu heben, aber sein verletztes Bein machte ihm noch immer zu schaffen und er fand nur schwer Halt.
»Lass mich das lieber machen!« Jonathan schob Dustin beiseite und nahm Sarah auf seine Arme, als sei sie leicht wie eine Feder. Er betrachtete ihr regloses Gesicht und strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus der Stirn. Dustin spürte einen schmerzhaften Stich und augenblicklich flammten auch die anderen Bilder wieder in seinem Kopf auf. Sarah und Jonathan, wie sie sich auf der Straße umarmten — zu lange und zu innig. Groll stieg in Dustin auf, unsägliche Abneigung gegenüber Jonathan. Aber gleichzeitig fühlte er sich selbst schuldig. Er hätte früher aus Rapids verschwinden sollen, gleich nach Annas Tod, dann wäre es gar nicht zu dieser Situation gekommen.
»Sag mal, was hattest du heute überhaupt mitten im Wald zu suchen, Jonathan? Du bist doch sicher nicht zufällig vorbeigekommen.« Dustin konnte den provokanten Unterton in seiner Stimme nicht verbergen und ärgerte sich bereits im selben Moment über seine Frage, die einfach aus ihm herausgeplatzt war.
Jonathan lachte bitter und marschierte sicheren Schrittes los. Sarahs Gewicht schien ihm dabei nicht das Geringste auszumachen.
»Nachdem du nach Annas Tod einfach verschwunden warst, ohne Sarah eine Nachricht zu hinterlassen, war sie ziemlich fertig«, antwortete er schließlich. »Sie hat sich bei mir ausgeheult. Aus irgendeinem Grund hatte sie wohl angenommen, da sei mehr zwischen euch und das mit dir und Anna hätte keine große Bedeutung gehabt.« Jonathan warf Dustin einen geringschätzigen Blick zu. »Um ehrlich zu sein, habe ich selbst auch nicht so ganz verstanden, was Anna und du für eine Art Beziehung hattet. Erst flirtest du mit Sarah, aber kurz darauf bist du mit Anna zusammen. Dass du noch nicht einmal zu Annas Beerdigung erschienen bist, war übrigens mehr als schwach, aber das brauche ich dir wohl nicht extra zu sagen. Na, jedenfalls ... Sarah und ich haben seitdem viel Zeit miteinander verbracht. Für heute Abend waren wir eigentlich auch verabredet, bevor ... das hier dazwischen gekommen ist.«
Jonathan schwieg und Dustins Magen krampfte sich zusammen. Es war klar, was hier ablief. Jonathan wollte ihn quälen und gleichzeitig provozieren. Dabei wusste er genau,
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