Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
verholfen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis SIE Dustin vermisste - spätestens morgen Nacht, wenn sie mit seiner grauenhaften Verwandlung rechnete. Und sie würde vor Wut kochen und alles unternehmen, um ihn erneut aufzuspüren. Jonathan musste unter allen Umständen den Mund halten und wenn sich Dustin dafür noch so sehr verbog und vor Eifersucht platzte. Eifersucht ... Dustin hatte dieses Nagen, dieses Beißen seit Langem nicht gespürt. Seltsam, dieses Gefühl, dachte er. Unangenehm, beinahe so, als wäre man von Kopf bis Fuß vergiftet und doch ... genoss Dustin dieses lang entbehrte, ungewohnte Empfinden. Denn Eifersucht bedeutete auch, dass jemand einem wichtig war. Wirklich wichtig.
»Wir müssen noch ein Stück links am Steinbruch vorbei. Dort steht mein Auto. Am besten fahren wir dann direkt zum Wohnheim.«
»Zum Wohnheim?« Dustin blieb abrupt stehen. »Dort sind wir doch am wenigsten sicher, ich meine ... ungestört. Außerdem glaube ich nicht, dass Sarah -«
»Ich dachte an den Keller des Westtraktes. Da wird niemand nachsehen«, unterbrach Jonathan ihn knapp. »Dort sind nur Lagerräume voller Schrott.«
Dustin widersprach nicht. Ihm fiel keine bessere Alternative ein und vielleicht war Jonathans Vorschlag tatsächlich gar nicht so schlecht. Er musste ohnehin erst abwarten, bis Sarah aufwachte, bevor er über die nächsten Schritte nachdenken konnte.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, liefen sie weiter Richtung Steinbruch. Immer wieder drehte sich Dustin um und versuchte, die Umgebung im Blick zu behalten. Aber seit sein Herz durch Sarahs Blut wieder schlug, hatte die Schärfe seiner Sinne merklich nachgelassen, was ihm ein Gefühl von Unsicherheit gab. Seine Augen konnten die Dunkelheit kaum noch durchdringen, sie war wie ein dicker schwarzer Vorhang, der alles verdeckte und jede Gefahr tarnte. Auch sein Gehör und sein Geruchssinn waren stark beeinträchtigt. Dustin konnte nur hoffen, dass sie nicht bereits beobachtet wurden - von jemandem, der es nur darauf anlegte, ihnen Schaden zuzufügen. Wenn SIE angriff, würde auch Jonathan ihnen nicht mehr helfen können.
Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Es waren Schritte, die aus dem Wald kamen, ganz eindeutig. Und sie bewegten sich in ihre Richtung. May blieb stehen und verhielt sich ruhig. Beinahe hatte sie schon aufgegeben, da sie auch nach einer Stunde Suchen keinerlei Anzeichen entdeckt hatte, die auf Dustins Verbleib hindeuteten. Aber nun glomm die Hoffnung wieder in ihr auf. Vielleicht war sie doch nicht umsonst hergekommen. Sie atmete so leise wie möglich und betete, dass sie auf dem Kiesboden des verlassenen Steinbruchgeländes keine Geräusche verursacht hatte, die ihren Standort verrieten. Sie konzentrierte sich mit all ihren Sinnen. Ja, da war jemand, ganz in ihrer Nähe. Wahrscheinlich ging Dustin auf Beutezug. Und sie war auf ihr Zusammentreffen vorbereitet. Mit feuchten Fingern tastete May nach ihrem Lederband mit dem roten Anhänger. Damit würde sie ihn von hinten überraschen und drosseln. Mit dem Zeichen ihres gegenseitigen Versprechens, sich stets an ihre Menschlichkeit, ihre Herkunft zu erinnern, um sich niemals zu verlieren und dem Drang nach Menschenblut nachzugeben. Dustin hatte sein Versprechen gebrochen, er hatte es vergessen und seinen Blutdurst gestillt, bis er auch den letzten Rest Moral verloren hatte. Und nicht nur das - er hatte auch Mays Leben zerstört. Mays Finger umklammerten das Lederband. Zwar würde Dustin dadurch nicht ersticken, aber das war auch nicht Sinn der Sache. May wollte, dass er litt. Er würde bewusstlos werden und sie hätte Zeit, ihn zu fesseln und an einen Ort zu schleifen, an dem ihn niemand so leicht finden würde. Und dann würde sie ihn in seinem Gefängnis dem Schicksal überlassen. Er würde nach ein paar Tagen ausgehungert und auf alle Zeiten eingeschlossen sein, schwach und wehrlos und mit ewigem Lechzen nach Leben. May lief bei dieser Vorstellung ein Schauer über den Rücken. Würde sie so etwas tatsächlich fertigbringen? Doch dann dachte sie an die letzten schrecklichen Bilder von Simon, die sie für immer verfolgen würden: an seinen blutleeren Körper und den stummen, entsetzten Blick in seinen schönen Augen. Tränen der Wut stiegen in May empor. Nein, sie tat nichts Unrechtes. Dustin würde lediglich das bekommen, was er schon längst verdiente.
Die Geräusche kamen immer näher. Dustin konnte nicht mehr weit sein. Mays Herz begann vor Aufregung laut zu klopfen. Sie
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