Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
wird ihr unterliegen und ihre Mordlust wird noch immer nicht gestillt sein. Emilia hat es auch auf Sarah abgesehen und selbst Jonathan ist nicht mehr vor ihrer Willkür sicher. Er hat in seinem Brief an Sie erwähnt: Emilia hat ihm ein Ultimatum gestellt und droht, ihn unschädlich zu machen, falls er ihr Dustin nicht schon bald ausliefert.
Bitte, George, helfen Sie mir, helfen Sie Ihrem alten Bekannten Henry, helfen Sie Sarah und Dustin, ja, helfen Sie auch Emilia. Helfen Sie uns allen, indem Sie in den Tatsachen, die ich Ihnen schildere, möglicherweise einen Weg erkennen, der aus diesem ewig andauernden Albtraum führt.
Ich selbst kann das Ganze nur schwer beurteilen. Ich weiß nicht, ob Jonathans Gefühle für Sarah echt sind oder pure Einbildung, ob Dustin allein für Emilias Schicksal verantwortlich ist und dafür bestraft werden muss oder ob er und Sarah tatsächlich füreinander bestimmt sind und ein gemeinsames Glück verdient haben. Diese ganze Angelegenheit scheint nur aus Trugbildern, Schein und Verwirrung zu bestehen. Ich weiß noch nicht einmal, ob Gerechtigkeit überhaupt eine Chance hat. Aber ich will nichts unversucht lassen, ihr Platz einzuräumen, und möchte Ihnen, lieber George, mit diesem Brief eine klarere Sicht auf die Dinge verschaffen.
Niemand weiß von diesen Zeilen und ich werde Sie nicht darum bitten, Stillschweigen bezüglich meines Briefes zu bewahren, denn ich bin überzeugt, dass Sie verantwortungsvoll damit umgehen werden.
In tiefster Verbundenheit
May
PS: Jonathan hat mir mein Handy weggenommen, deshalb bin ich nicht erreichbar. Aber ich werde am Gemeinschaftstelefon unseres Wohnheimes auf Ihren Anruf warten. Am Montag ab sieben Uhr abends ... Ich will, dass Sie Folgendes wissen: Ich würde alles um der Gerechtigkeit willen tun, George! Wirklich alles ...
Jonathan stürzte sich wieder und wieder auf das wehrlose Tier. Den Körper des jungen Rehs durchfuhr ein letztes Zucken, dann blieb es regungslos liegen, die Augen vor Schreck noch immer weit aufgerissen. Jonathan ließ sich erschöpft neben dem Tier nieder. Ihm war heiß und sein Atem ging stoßweise. Hunger verspürte er nicht. Er hatte sich bereits von seinem ersten Opfer dieser Nacht genommen, was sein Körper verlangte. Es war nicht viel gewesen. Er hatte niemals diesen Heißhunger empfunden, von dem Emilia immer gesprochen hatte. Aber das lag vermutlich nur daran, dass er nie dem Verlangen nach Menschenblut nachgegeben hatte. Manchmal, in schwachen Momenten, hatte es versucht, ihn zu übermannen. Aber seine Selbstdisziplin hatte jedes Mal gesiegt. Sie war Jonathans einziger Schutz, seine einzige Chance - und gab ihm das Gefühl von Stärke.
Jonathan rappelte sich wieder hoch und schleifte das Reh in die Nähe der anderen Kadaver. Es musste echt aussehen, nach ihr. Emilia liebte es, blutige Zeichen zu setzen, Spuren der Grausamkeit zu hinterlassen. Das war ihre Art, sich und anderen das Ausmaß ihrer Macht vor Augen zu halten. Dieses Mal mussten ihre Spuren jedoch auf eine Weise gelegt werden, die möglichst schnell denjenigen anlockten, für den sie bestimmt waren. Dustin würde hauptsächlich in diesem Abschnitt des Waldes nach Emilia suchen und musste selbst als Mensch ohne besonders ausgeprägte Sinne auf dieses Werk aufmerksam werden. Jonathan betrachtete das, was er angerichtet hatte - ein Feld aus zahllosen Tierkadavern. Noch vor ein paar Jahren wäre er niemals zu so einer Tat imstande gewesen.
Auch er hatte sich verändert, war abgehärtet worden. Durch sie. Und er war noch längst nicht fertig mit seiner Arbeit. Jonathan schauderte bei der Vorstellung, was als Nächstes zu tun war. Er zückte ein Messer und schloss die Augen. Zumindest wollte er es nicht mit bloßen Händen erledigen. Nicht nachdenken, nicht hinsehen, beschwor er sich. Ich tue es für Sarah, für die Gerechtigkeit. Ich tue es, damit das hier endlich aufhört... Er holte aus und stach mit aller Kraft zu, die Lippen fest aufeinandergepresst, jeden seiner Muskeln angespannt - wieder und wieder, unkontrolliert und ohne auch nur einmal die Augen zu öffnen. So musste er nicht mitansehen, welche Stellen die Klinge durchdrang und durchtrennte, und auch nicht das Rot, das sich zäh über den Waldboden ergoss, sich in Rinnsalen sammelte und sich wie ein purpurnes, rasant wachsendes Spinnennetz in alle Richtungen ausbreitete.
Aber Jonathan roch es. Süß, metallen und verräterisch erfüllte es die Luft und wurde schließlich vom Wind
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