Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
davongetragen.
»Bitte, Dustin, pass auf dich auf! Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber mit Sicherheit ist es ein böses Spiel, eines ohne faire Regeln. Und ich allein bin schuld daran, ich bin zurückgekehrt, obwohl du mich gewarnt hast. Du darfst dich von nichts und niemandem täuschen lassen. Ich kann nicht fort von hier und dich suchen. Ich kann dich nicht warnen und dir beistehen. Aber meine Gedanken kann mir niemand nehmen. Sie gehören nur dir und bleiben allen anderen verborgen. Denk auch du immer an unsere gemeinsame Zeit, an unser geteiltes Leben. Erinnere dich daran, wie nahe wir uns waren.
Ich bin es noch immer ... Ich bin bei dir, hörst du? Mein Herz gehört nach wie vor dir, auch wenn du es mir zurückgegeben hast. Es ist jetzt ein Teil von dir. Bitte, vertraue dir selbst und gib dich niemals auf, was auch immer geschieht.«
Sarah wusste, dass ihr Flehen die dicken Betonwände nicht durchdringen konnten, dass Dustin wahrscheinlich noch nicht einmal in ihrer Nähe war. Und dennoch wollte sie ihm all ihre Kraft, all ihre Liebe schicken. Sie schloss die Augen und rief sich jeden ihrer schönen und schweren Momente ins Gedächtnis, die sie gemeinsam durchlebt hatten ... in dieser kurzen, langen Zeit.
»Ich glaube an dich, Dustin. Ich liebe dich!«
Dustin verspürte Hunger. Zum ersten Mal, seit sein Herz nicht mehr schlug, verlangte sein Körper nach Blut. Die Erkenntnis war bitter und hielt ihm gnadenlos vor Augen, auf welcher Seite er nun wieder stand. Anfangs versuchte er noch, das Gefühl zu verdrängen, es widerstrebte ihm mehr denn je, ihm nachzugeben. Aber je vehementer er sich wehrte, desto beißender und drängender wurde seine Gier. Er musste sie stillen, sonst würde sie sich am Ende nur in Schlimmeres verwandeln - in Heißhunger nach Menschenblut. Er packte seine Jacke und trat nach draußen. Wenigstens konnte er seinen Ausflug damit verbinden, sich nach Emilia umzusehen. Er durfte nur auf keinen Fall verräterische Spuren hinterlassen. May hatte recht: Sie mussten vorsichtig und überlegt vorgehen, sonst würde er es schnell bereuen. Emilia würde ihn kein zweites Mal entkommen lassen.
Lautlos tauchte Dustin in das Dickicht des Canyon Forest ein. Seine Sinne brauchten länger als sonst, um sich auf die Dunkelheit einzustellen, so als hingen auch sie noch wehmütig seinem kurzen Menschenleben nach und wollten sich nur ungern wieder auf das hier einlassen. Dustin konzentrierte sich. Er versuchte, jede einzelne Regung und jedes Geräusch wahrzunehmen und einzuordnen, während er sich vorwärtsbewegte. Seltsamerweise war ihm, als zöge es ihn förmlich in eine ganz bestimmte Richtung - ausgerechnet dorthin, wo der alte Steinbruch lag. Dustin schauderte und ein Teil von ihm sträubte sich dagegen, in diesen Abschnitt des Waldes vorzudringen, in dem er vor ein paar Nächten beinahe sein ewiges Ende gefunden hatte. Aber eine andere Stimme in ihm, eine stärkere, lautere, drängte ihn weiter, machte ihm Mut, flüsterte ihm zu, dass es richtig war, sich diesem Ort zu stellen. Dustin schloss die Augen und lauschte in sich hinein, so wie er es früher, vor langer Zeit, getan hatte. Und auf einmal hatte er das Gefühl, als schlüge dort, ganz tief in seinem Innern, noch immer ein Herz. Es erfüllte ihn mit einem vertrauten Rhythmus, einem Klang, welchen er auch in den letzten Tagen in sich vernommen hatte. Es war ... als teilte Sarah nach wie vor ihr Herz mit ihm.
Bumm-bumm, bumm-bumm, bumm-bumm ...
Dustin wusste, dass das nicht stimmte, nicht stimmen durfte, und als er zitternd die Hand auf seine Brust legte, fühlte er, dass sich darunter nichts regte. Es musste die wache, frische Erinnerung an seine Zeit als Mensch sein, die ihn noch immer ausfüllte. Ein Bündel aus Gefühlen, all seine Ängste und Glücksmomente, seine Trauer und Liebe - alles, was er durch Sarahs Blut und ihren Herzschlag hatte erleben dürfen flammten in diesem Moment in einer derartigen Wucht in ihm auf, dass er sich lebendig fühlte und selbstsicher, als wäre er noch immer ein Mensch. Ein Mensch mit eigener Seele, eigenem Herzen, eigenen Träumen und eigenem Willen.
Bumm-bumm, bumm-bumm, bumm-bumm ...
Schritt für Schritt und ohne die Augen zu öffnen, tastete sich Dustin im Rhythmus der Stimme vorwärts, immer weiter in den dicht bewachsenen Abschnitt des Canyon Forest hinein. Er ließ sich einfach treiben, locken, lenken. Plötzlich blieb er verwundert stehen. Es war, als wäre die Stimme in ihm abrupt
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