Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
hatte Emilia den Brief nicht entdeckt, als sie Sarahs Sachen durchsucht hatte. Sarah hatte ihn, als Emilia kurz abgelenkt gewesen war, schnell in der Innentasche ihrer Jacke verschwinden lassen. So hatte sie sich letzte Nacht zumindest nicht völlig allein gefühlt und das verschlossene Kuvert immer und immer wieder hervorgeholt. Auf diese Weise hatte sie sich zwischenzeitlich etwas beruhigen können. Dennoch hatten sich immer wieder Panikschübe mit Selbstvorwürfen abgewechselt. Sarah wusste, dass sie einen riesigen Fehler begangen hatte, als sie nach Rapids zurückgekehrt war. Einen Fehler, der unverzeihlich war und den letzten Funken Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Dustin ersticken und sie beide in allergrößte Gefahr bringen würde. Zwar hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was Emilia mit ihr vorhatte, aber eines stand fest: Sarah war nicht zu ihrem Vergnügen hier, auch wenn Emilia die freundliche Gastgeberin spielte. Sie war so etwas wie eine Geisel und höchstwahrscheinlich wollte Emilia Dustin mit ihrer Hilfe erpressen.
Ab und an hatte Sarah geglaubt, Geräusche im Treppenhaus zu vernehmen, und war dann mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem zur Tür geschlichen, um zu lauschen, ob sich jemand näherte. Doch bisher hatte ihr niemand einen Besuch abgestattet. Sie wusste nicht, ob sie froh darüber sein sollte oder nicht. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten. Nun war es beinahe elf und die Erschöpfung breitete sich bleiern in ihr aus. Wie schön wäre es, sich ihr einfach hinzugeben und einzuschlafen, dann gut erholt aufzuwachen und zu merken, dass alles nur ein böser Traum ...
»... Familie steht noch unter Schock und will sich nicht zu dem Fall äußern. Eine ihrer Highschool-Freundinnen berichtet uns jedoch, was sie gestern Abend gesehen hat.« Sarah war mit einem Mal wieder hellwach und starrte wie gebannt auf den Fernsehbildschirm. Das dunkelhaarige Mädchen, das dort mit bleichem Gesicht und rot verquollenen Augen vor der Kamera stand, kannte sie, wenn auch nur flüchtig. Sie musste im Jahrgang über ihr sein.
»Sally wurde gestern Abend beim Tanzen schwindlig«, presste das Mädchen hervor und konnte seine Tränen kaum zurückhalten. »Es war ziemlich voll und stickig in der Disco und ... sie wollte nur kurz vor die Tür gehen und frische Luft schnappen. Ich bin ihr dann ... irgendwann nach draußen gefolgt, nachdem sie nicht wiederkam. Erst habe ich nichts Auffälliges bemerkt und wollte schon wieder reingehen, aber dann ... dann habe ich diese Blutspur auf dem Asphalt entdeckt und ...« Das Mädchen wischte sich über die Augen und schluchzte so sehr, dass es nicht weitersprechen konnte. Sarahs Magen zog sich zusammen. Die Kamera wurde wieder auf den Nachrichtenreporter gerichtet. »Anschließend wurde die 18-jährige Sally Thompson am Rande des Discoparkplatzes aufgefunden«, erklärte dieser mit ernster Miene. »Schwer verletzt wurde das Mädchen gegen 23 Uhr ins Krankenhaus gebracht, wo es tragischerweise vor ein paar Stunden verstarb. Die Polizei geht von einem Gewaltverbrechen aus. Die Ermittlungen dauern noch an.« Sarahs Kehle war wie zugeschnürt und ihr Puls raste. Sie stand auf und lief wie ferngesteuert auf und ab. Ihr Blick schweifte zu den Fenstern, die sich in unerreichbarer Höhe befanden und außerdem verschlossen waren. Panik machte sich in ihr breit. Sie bekam kaum noch Luft.
»Ich will raus hier«, wimmerte sie. »Ich will hier weg, weg, weg!« Emilia war wahnsinnig, sie war gefährlich, sie war ... eine Mörderin, die vor nichts und niemandem mehr haltmachte. Und sie ... sie war die Nächste, ein weiteres Opfer, aber eines ... eines, das man nie finden würde. Sarah ließ sich zu Boden sinken. »Mom«, schluchzte sie, »Mom, ich will zu dir, bitte such mich, ich ... Es tut mir auch leid, dass ich die ganze Zeit so -«
Plötzlich klopfte es laut an der Tür und Sarah schreckte zusammen.
»Emilia! Emilia, mach auf, ich bin es!« Die Stimme drang undeutlich und dumpf durch die massive Eisentür.
Wer um Himmels willen war das? Sarah rappelte sich hoch und pirschte sich barfuß und mit zitternden Knien zur Tür, um ihr Ohr daranzulegen.
»Emilia? Bist du zu Hause?«
Jetzt erkannte Sarah die Stimme und wich automatisch einen Schritt zurück. Jonathan ... Ihr Herz pochte heftig. Sie wusste inzwischen, was es mit Jonathans Vergangenheit auf sich hatte, und die Tatsache, dass er nun vor der Tür stand, um sich ganz offensichtlich mit Emilia zu
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