Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
treffen, verringerte ihre Angst kein bisschen. Wie stand er mittlerweile zu Sarah? Hatte er sie endgültig abgeschrieben, nachdem er sie mit Dustin fortgeschickt hatte, oder empfand er nach wie vor etwas für sie? War er hier, in Emilias Reich, ihr Verbündeter oder ihr Gegner?
»Emilia!«
»Nein, ich bin hier, Jonathan!« Sarah erschrak so sehr über ihre eigenen Worte, die ihr ganz von selbst über die Lippen gekommen waren, dass sie sich die Hand vor den Mund presste.
»Sarah? Sarah ... Bist du das wirklich?«
»Ja ...«
»Was ... machst du hier? Sarah ... Wie hat sie dich bloß erwischt, ich meine, ich dachte, du wärst fort! Hat sie dir wehgetan? Hat sie dich etwa -?«
»Sie ist nach unserem netten Zusammentreffen ganz freiwillig mitgekommen, nicht wahr, Sarah, Schätzchen? Wir haben uns bestens amüsiert!«
Sarah fuhr mit einem Schrei herum. Emilia stand dicht hinter ihr. Sarah erkannte, dass eines der Dachfenster offen stand. Emilias Lippen waren blutrot und verschmiert. Sarah wusste, dass es kein Lippenstift war. Sie schauderte. Emilias Haare hingen ihr zerzaust über die Schultern und ihre Kleider waren zerknittert. Nichts erinnerte mehr an die edle Erscheinung von gestern.
»Oh, bitte entschuldige mein stilloses Auftreten«, flötete Emilia, als hätte sie Sarahs Gedanken erraten. »Ich muss furchtbar aussehen, aber manchmal geht es einfach mit mir durch, wenn ich nachts unterwegs bin.« Sie kramte in ihrer Handtasche, zog einen kleinen Handspiegel, Puder und eine Bürste hervor und begann, sich in aller Seelenruhe zurechtzumachen. Sarah konnte sie nur fassungslos anstarren. Übelkeit und Abscheu stiegen in ihr empor.
»Mach bitte auf, Emilia!« Jonathans Stimme klang drängend und angespannt zugleich.
»Ist ja gut, ist ja gut, Romeo! Gleich darfst du zu deiner Julia. Nur die Ruhe, es ist ja niemand vergiftet worden. Emilia verdrehte genervt die Augen, dann band sie ihre Haare wieder zu einem Pferdeschwanz, zückte ihr schwarzes Kästchen und öffnete die Tür. »Bitte sehr, hereinspaziert. Ich bin zwar noch immer satt, aber im Kühlschrank müsste noch genügend für diejenigen sein, denen eher nach Müsli oder Toast mit Marmelade ist.«
Jonathan stellte sich neben Sarah und betrachtete sie eingehend von oben bis unten. Sarah konnte nicht einschätzen, was dabei in ihm vorging. Er hatte sich in der letzten Zeit so sehr verändert, sogar optisch. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren und verrieten kaum mehr etwas über seinen Gemütszustand. Seine ganze Mimik war starr und ausdruckslos. Nur ein leichtes Zucken um die Mundwinkel zeigte, dass sein Gesicht nicht völlig versteinert war. Sarahs Atem ging stoßweise und ihr wurde beinahe schwindelig. Benommen ließ sie sich auf einen der nächstbesten Stühle fallen.
»Gute Idee, machen wir es uns doch alle bequemer«, schlug Emilia vor und sie und Jonathan nahmen ebenfalls Platz. Jonathans Blick haftete erwartungsvoll an Emilia, die jedoch nur gedankenverloren ihre perfekt manikürten Fingernägel betrachtete. Die Stille, die herrschte, kam Sarah noch erdrückender und unerträglicher vor als letzte Nacht. Minuten verstrichen, ohne dass jemand etwas sagte.
»So, ihr Lieben«, begann Emilia schließlich und sah erst Sarah, dann Jonathan eindringlich an. »Wir alle, die wir hier zusammensitzen, haben ein Problem, wie es aussieht.« Sie machte erneut eine Pause. Sarahs Puls raste - vor Anspannung, Angst und Wut. Emilia spielte ihre Macht bewusst aus, indem sie sich so viel Zeit ließ. Sie wollte zeigen, wer hier das Sagen hatte.
»Sarah hat Angst um ihr Leben und um Dustin, der sich in seiner zweifellos vereinnahmenden Art und Weise in ihr kleines unerfahrenes Herz geschmuggelt und ihr dadurch nichts als eine ganze Menge Probleme beschert hat«, fuhr sie endlich in mitleidsvollem Ton fort. »Henry wiederum hat Angst um Sarah, weil er sich in sie verliebt hat, selbst wenn er sich größte Mühe gibt, es zu leugnen. Er will sie vor mir beschützen, weil ich kürzlich angekündigt hatte - das gebe ich zu -, ihr vor Dustins Augen etwas anzutun. Vor allem aber will Henry seinen größten Rivalen aus dem Weg schaffen - Dustin. Und was meine Wenigkeit betrifft ... Ich wünsche, dass dieses ganze Theater ein Ende hat und das vollbracht wird, wonach ich seit Jahrzehnten strebe. Ich will Rache üben an derjenigen Person, die meine Zukunft ruiniert und mir all das genommen hat, was ein Dasein kostbar macht. Diese Person ist praktischerweise ebenfalls ...
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