Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
seinen eigenen Weg zu finden - wenn er endlich von Emilia loskam. All dies waren Gründe dafür, dass Emilia unschädlich gemacht werden musste. Sie durfte dem Glück anderer nicht länger im Wege stehen.
Aber die wahre, die eigentliche Erklärung für Mays Wunsch, dem Ganzen bald ein Ende zu bereiten, lag woanders, tief in ihrer Seele verborgen.
May hatte seit einiger Zeit das Gefühl, am Ende eines Weges zu stehen, obwohl sie wusste - und das war das Schlimmste daran -, dass dieser eigentlich noch weitergehen müsste und sie noch nicht an ihrem eigentlichen Ziel angelangt war. Diese Tatsache hielt sie davon ab, umzudrehen und eine andere Richtung einzuschlagen, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen. Dazu hätte sie ihrer Vergangenheit den Rücken kehren und sie vergessen müssen und eben das wollte sie nicht. Sie sträubte sich dagegen, sosehr sie ihre Erinnerungen auch nach wie vor schmerzten. Die glückliche Zeit mit Simon war ein wichtiger Teil in ihrem Leben, der wichtigste überhaupt. Aber es gab einen Punkt, den sie kaum ertragen konnte: Sein grausamer Tod stand am Ende ihrer gemeinsamen Geschichte. Danach war Schluss. Abspann. Simons blutleeres Gesicht, seine vor Schreck geweiteten, leblosen Augen waren stets das Letzte, woran May dachte, wenn sie sich an ihn und ihre gemeinsame Zeit erinnerte. Und das wollte sie nicht hinnehmen. Nichts und niemand auf der Welt konnte Simon wieder lebendig machen, das wusste sie. Und ebenso war ihr klar, dass es zu spät für ein Happy End war, aber ... sie konnte wenigstens dafür sorgen, dass es ein weiteres Kapitel in ihrer Geschichte gab, eines, das ganz speziell ihnen, Simon und May, gewidmet war und ihrer Liebe gerecht wurde. Das hatten sie sich verdient. Einen würdigen, einen versöhnlichen Abschluss ihrer kurzen gemeinsamen Zeit, der einen Hauch Gerechtigkeit und Trost enthielt und nicht nur Trauer und Hoffnungslosigkeit. Das war es, wonach May sich sehnte, denn erst dann würde sie wieder ruhig schlafen können. Sie wollte, dass Simons Tod nicht ihr gemeinsames Ende war.
»Danke.« Sarah nahm die Tasse entgegen, die ihr Jonathan entgegenhielt und nahm einen Schluck. Der heiße Kaffee tat ihr gut und half ihr, wach zu werden. Sie streifte die Decke von sich und streckte die Beine.
»Konntest du doch noch etwas schlafen?«, fragte Jonathan. Er hatte anscheinend schon geduscht. Sein Haar war nass und er sah wesentlich frischer und munterer aus als gestern.
»Ja, ich muss wohl irgendwann eingenickt sein. Und was ist mit dir?«
Jonathan schüttelte den Kopf. »Ich hab kein Auge zugemacht. Bin mal gespannt, wann Emilia wiederkommt. Es ist schon nach elf.«
Sarah ließ die Tasse zwischen ihren Händen kreisen und schielte zu Jonathans Jacke, die mittlerweile auf einem Stuhl lag. »Und du meinst, sie nimmt dir ohne Weiteres ab, dass du einen Plan hast?«, fragte sie. »Was genau willst du ihr erzählen? Dass ich dir verraten habe, wo Dustin steckt? Wirst du sie anlügen?«
Jonathan zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich wird das gar nicht nötig sein. Es ist ihr egal, auf welchem Weg ich ihr Dustin beschaffe, für sie zählen nur noch der Zeitpunkt und das Ergebnis. Und sie will sehen, dass ich mich für sie ins Zeug lege, bevor ich mich von ihr trenne und ... mit dir verschwinde. Das ist ihre Art, bis zum Schluss ihre Macht auszuspielen und ... Na ja, ich schätze, sie ist auch irgendwie eifersüchtig auf dich. Sie dachte, sie wäre für immer und ewig die einzige Frau für mich. Und lange Zeit... war es schließlich auch so.«
Sarah erwiderte nichts. Wieder fragte sie sich, weshalb sich Jonathan - anscheinend freiwillig - derart von Emilia hatte vereinnahmen lassen. Diese Frau musste eine ungeheure Anziehungskraft auf Männer ausüben - jedenfalls war das wohl früher so gewesen. Immerhin hatte sich auch Dustin auf sie eingelassen. Der Gedanke daran versetzte Sarah einen kurzen schmerzhaften Stich.
»Emilia war ... Sie war einmal anders ... früher«, fügte Jonathan beinahe entschuldigend hinzu, als hätte er Sarahs Gedanken gelesen. Sie nickte. Dann drehte sich Jonathan um und ging ins Bad. Sarah wartete, bis sich die Tür hinter ihm schloss, dann sprang sie auf und stürzte zu dem Stuhl mit seiner Jacke.
Hektisch durchwühlte sie den Parka. Das Handy fiel zu Boden. Da lag es vor ihr, ihre einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. May ... Sarah musste sie unbedingt erreichen, koste es, was es wolle! Sie hob das Handy auf und sah
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