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Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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mich nach Hause brachte, und verabschiedete sich mit Schulterklopfen und dem Versprechen, mir Bescheid zu sagen, sobald der erste Gerichtstermin feststand.
    Meine Stimmung war nicht annähernd so gut. Nachdem Officer Neely mich vor meiner Wohnung abgesetzt hatte, ging ich hinauf und zog Joggingschuhe an. Laufen konnte ich zwar noch nicht, aber ich brauchte einen langen Spaziergang, um meine Gedanken zu klären, bevor Caroline kam.
    Zuerst hatte ich allerdings einiges wiedergutzumachen. Mr. Contreras empfing mich kühl; er versuchte seine verletzten Gefühle unter einem Mantel angestrengter Höflichkeit zu verbergen. Dieses Manöver war zu leicht zu durchschauen. Nach ein paar Minuten entspannte er sich, versprach mir hoch und heilig, nie wieder meine Wohnung zu betreten, ohne vorher anzurufen, und briet Eier und Speck zum Mittagessen. Anschließend plauderten wir, wobei ich wieder etwas ungeduldig wurde. Aber je länger er redete, um so länger konnte ich eine wesentlich unangenehmere Unterhaltung hinausschieben. Um zwei Uhr jedoch kam ich zu der Einsicht, Lotty lange genug aus dem Weg gegangen zu sein, und brach auf.
    Mit ihr würde es nicht so leicht werden. Zwischen ihrer morgendlichen Arbeit in der Praxis und einem Konzertbesuch mit Max am Nachmittag war sie zu Hause. Wir sprachen in der Küche miteinander, während sie mit kleinen Stichen den Saum eines schwarzen Rockes umnähte. Zumindest hatte sie mir nicht die Tür vor der Nase zugeworfen.
    »Ich weiß nicht, wie oft ich dich in den letzten zehn Jahren zusammengeflickt habe, Victoria. Oft. Und beinahe jedesmal war es ernst, um nicht zu sagen lebensgefährlich. Warum schätzt du dein Leben so gering?«
    Ich starrte auf den Küchenboden. »Ich will nicht, daß jemand anders meine Probleme löst.«
    »Aber gestern nacht bist du hierhergekommen. Du hast mich in deine Probleme mit hineingezogen, und dann bist du einfach verschwunden. Das zeugt nicht von Unabhängigkeit, sondern von gedankenloser Grausamkeit. Du mußt dir darüber klarwerden, was du von mir willst. Wenn ich nur dein Arzt sein soll, der dich wieder zusammenflickt, wenn dich eine Kugel getroffen hat, in Ordnung. Aber wenn wir Freunde bleiben sollen, dann kannst du nicht auf diese gewissenlose Weise meine Gefühle für dich mißachten. Verstehst du das?«
    Ich rieb mir müde die Stirn. Schließlich sah ich sie an. »Lotty, ich habe Angst. Seit dem Tag, als mein Vater mir beibrachte, daß Gabriella sterben würde und wir nichts dagegen tun könnten, habe ich nicht mehr solche Angst gehabt. Seit damals weiß ich, daß es ein furchtbarer Fehler ist, sich auf andere zu verlassen. Und jetzt ist mir der Schrecken so in die Knochen gefahren, daß ich das Gefühl habe, allein nicht mehr mit meinen Problemen fertigzuwerden; ich zapple wie ein Fisch im Wasser. Aber wenn ich um Hilfe bitte, macht mich das wahnsinnig. Ich weiß, es ist schwer für dich. Es tut mir leid. Aber im Moment kann ich nichts daran ändern.«
    Lotty legte den Rock beiseite. Sie lächelte kurz und schief. »Ja, es ist nicht einfach, seine Mutter zu verlieren, nicht wahr? Könnten wir uns nicht auf einen Kompromiß einigen, meine Liebe? Ich verlange nichts von dir, was du nicht leisten kannst. Aber das nächste Mal, wenn du dich in diesem Zustand befindest, dann sag es mir bitte, damit ich nicht wieder so wütend auf dich werde.«
    Ich nickte mehrmals, meine Kehle war zugeschnürt, und ich konnte nichts sagen. Sie kam zu mir und umarmte mich. »Du bist wie eine Tochter für mich, Victoria. Ich weiß, ich bin nicht Gabriella, aber ich liebe dich.«
    Ich lächelte hilflos. »Wenn du wütend bist, dann für zwei.«
    Anschließend berichtete ich ihr alles, was ich von den Chigwell-Notizbüchern wußte, und sie versprach, sie sich am Sonntag anzusehen.
    »Und jetzt muß ich mich umziehen, meine Liebe. Aber warum schläfst du heute nacht nicht hier? Vielleicht würde uns das beiden gut tun.«

31
    Krieg und Frieden
    Nachdem ich mich bei Mr. Contreras zurückgemeldet und ihm Carolines Besuch angekündigt hatte, ging ich hinauf in meine Wohnung. Die Unterhaltung mit Lotty hatte mein seelisches Gleichgewicht einigermaßen wiederhergestellt. Ich fühlte mich ruhig genug, um den langen Spaziergang aufzuschieben und statt dessen einige dringende Arbeiten im Haushalt zu erledigen. Das halb gare Huhn, das ich am Dienstag in den Kühlschrank verfrachtet hatte, schimmelte. Ich trug es zum Müll und säuberte anschließend den Kühlschrank, um den fauligen

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