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Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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marineblaues Kostüm an, von dem die Schneiderin behauptet hatte, es würde mir ein eindrucksvolles und kompetentes Aussehen verleihen. Ich bemühte mich, Peppys hartnäckiges Jaulen nicht zu hören, und machte mich auf den Weg zur South Side, allerdings nicht wie an den beiden Tagen vorher den See entlang, sondern über einen Expressway, der mich mitten ins Herz des Calumet-Industriegebiets brachte.
    Vor über einem Jahrhundert hatten eine Gruppe von ArmeeIngenieuren und George Pullman beschlossen, das ausgedehnte Marschland zwischen dem Calumet- und dem Michigansee in ein Industriegebiet zu verwandeln. Es war natürlich nicht nur Pullman. Auch Andrew Carnegie, Judge Gary und ein paar geringere Industriebarone spielten eine Rolle und arbeiteten sechzig, siebzig Jahre daran. Sie nahmen sich sechseinhalb Quadratkilometer Land und füllten es mit Dreck auf, mit aus dem Calumetsee gebaggertem Lehm, mit Phenolen, Ölen, eisenhaltigen Sulfiden und tausend anderen Substanzen, von denen man nicht nur noch nie etwas gehört hat, sondern auch nichts wissen möchte.
    Als ich in Höhe der Hundertdritten Straße vom Expressway runterfuhr, hatte ich den Eindruck, auf dem Mond gelandet oder nach einer nuklearen Katastrophe zur Erde zurückgekehrt zu sein. Wahrscheinlich existiert in dem öligen Sumpf um den Calumetsee noch Leben, aber erkennbar wäre es nur unter dem Mikroskop oder in einem Film von Steven Spielberg. Wiesen, Wald oder Vögel gibt es nicht, nur ab und zu wilde Hunde mit hervortretenden Rippen, blutunterlaufenen Augen, aus denen Wahnsinn und Hunger starren.
    Das Xerxes-Werk lag mitten in dem ehemaligen Sumpf an der Hundertzehnten Straße östlich der Torrence Avenue. Das Gebäude stammte aus den frühen fünfziger Jahren. Von der Straße aus konnte ich das Firmenschild sehen: »Xerxes, König der Lösungsmittel«. Das leuchtende Purpurrot des Firmensignets war zu einem verwaschenen Pink verblichen, die zwei X in einer Krone konnte man kaum noch erkennen. Aus Betonquadern erbaut, formte die Fabrik ein riesiges U, dessen Arme bis an den Calumet River reichten. Die Lösungsmittel konnten bequem auf Schleppkähnen verladen und die Abfallprodukte in den Fluß geleitet werden. Heutzutage pumpten sie natürlich nichts mehr in den Fluß; nachdem das Abwassergesetz verabschiedet worden war, hatte Xerxes riesige Klärbecken gebaut, deren Trennwände die zerbrechliche Barriere zwischen dem Fluß und dem Gift bildeten.
    Ich parkte auf einer Kieshalde und bahnte mir vorsichtig einen Weg über den öligen Boden zu einem Seiteneingang. Der starke Geruch -ähnlich wie in einer Dunkelkammer - war derselbe wie damals, als ich mit meinem Vater hier manchmal vorbeigefahren war, um Louisa abzusetzen, wenn sie den Bus verpaßt hatte. Ich war noch nie in der Fabrik gewesen. Statt mitten in einem Hexenkessel, wie ich es erwartet hatte, fand ich mich in einem langen, schwach beleuchteten, leeren Flur mit nacktem Betonfußboden und haushohen Wänden aus Schlackenstein. Mir war, als stünde ich auf dem Grund eines Schachts. Ich folgte dem Gang - ein Arm des Us - in Richtung Fluß und kam nach einer Weile zu einer Reihe von verglasten Kammern, die in die innere Wand eingelassen waren. Ich konnte hinter den milchigen Glasfenstern Licht und Bewegung erkennen, aber keine Umrisse ausmachen. Ich klopfte an die mittlere von drei Türen und trat ein.
    Jetzt hatte ich das Gefühl, einer Zeitmaschine entstiegen zu sein. Ich befand mich in einem langen, schmalen Zimmer, dessen Einrichtung seit Erbauung des Gebäudes vor ungefähr vierzig Jahren unverändert geblieben war. Düster-olivfarbene Aktenschränke und Schreibtische aus Metall säumten die Wand gegenüber; Neonlampen hingen von der schallgedämpften Decke. Drei Türen führten in dieses Zimmer, zwei davon waren durch Aktenschränke verstellt. Vier Frauen mittleren Alters in roten Kitteln saßen an den Schreibtischen und bearbeiteten riesige Papierstapel mit einer Verbissenheit, die Sisyphus alle Ehre gemacht hätte; sie führten Bücher, stellten Rechnungen aus und bedienten altmodische Addiermaschinen mit geübten Wurstfingern. Zwei von ihnen rauchten, und der Zigarettenrauch ging mit dem Dunkelkammergeruch eine beißendharmonische Verbindung ein.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich. »Ich suche das Personalbüro.«
    Die Frau, die der Tür am nächsten saß, blickte mich unter schweren Lidern gleichgültig an. »Es wird niemand eingestellt.« Dann wandte sie sich wieder ihren

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