Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
Platz zu nehmen, und warf einen mißbilligenden Blick auf ihre Enkelkinder. Ich machte mich behutsam von ihr los. Ich zog es vor, weiter hinten zu sitzen, um einen Überblick darüber zu haben, wer auftauchte. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß Mörder häufig der Beerdigung ihres Opfers beiwohnen. Vielleicht um sicherzugehen, daß es wirklich tot ist, daß es tatsächlich begraben wird und sein Geist nicht umgehen wird. Nachdem ich mich in der Nähe des Eingangs niedergelassen hatte, rauschte Diane Logan in ihrem Silberfuchs herein. Sie strich mir über die Wange, drückte meine Hand und entschwebte.
    »Wer war das?« flüsterte mir eine Stimme ins Ohr.
    Ich zuckte zusammen und wandte mich um. Es war Sergeant McGon-nigal, der sich bemühte, im schwarzen Anzug trauervoll auszusehen. Demnach versuchte auch die Polizei ihr Glück.
    »Sie hat mit Nancy und mir Basketball gespielt. In der Zwischenzeit ist sie Besitzerin einer ziemlich einträglichen PR-Agentur«, flüsterte ich zurück. »Ich glaube nicht, daß sie Nancy erschlagen hat - sie hatte schon vor zwanzig Jahren keine Chance gegen sie. Ich kenn' hier nicht alle. Sagen Sie mir, wer der Mörder ist.«
    Er lächelte kurz. »Als ich Sie hier sitzen sah, dachte ich schon, alle meine Sorgen sind vorbei. Die kleine polnische Detektivin wird den Mörder vor dem Altar entlarven.«
    »Das ist eine Methodistenkirche«, murmelte ich. »Ich glaube nicht, daß es bei den Methodisten Altar heißt.«
    Caroline kam mit einer Gruppe von Leuten hereingepoltert, die ich bei ihr im SCRAP-Büro gesehen hatte. Sie legten die unnatürliche Ernsthaftigkeit von Leuten an den Tag, die nicht an Trauerfeiern gewöhnt sind. Carolines Kupferlocken waren zu so etwas wie einer Frisur arrangiert. Sie trug ein schwarzes Kostüm, das eigentlich für eine weit größere Frau gedacht war, wie man an dem dicken Saum erkannte, den sie mit ihrer typischen Ungeduld schlecht genäht hatte. Falls sie mich sah, ließ sie es sich nicht anmerken. Zielstrebig dirigierte sie die SCRAP-Abordnung zu einer Bank in der Mitte.
    Hinter ihr trat eine Handvoll älterer Frauen ein, vielleicht Mrs. Cleg-horns Freundinnen aus der Bibliothek. Ihnen folgte ein schlanker junger Mann. Im dämmrigen Licht hatte er ein sehr klares Profil. Er blickte sich unsicher um, bemerkte, daß ich ihn anstarrte, und sah weg. Die Art, wie er verlegen den Kopf abwandte, verriet mir, wer er war: der junge Art Jurshak. Die gleiche Kopfbewegung hatte er gemacht, als er mit den alten Parteibonzen im Büro seines Vaters gesprochen hatte. Er setzte sich in eine der hinteren Reihen.
    McGonnigal tippte auf meine Schulter. »Wer ist dieser AlfalfaSprößling?« knurrte er.
    Ich lächelte engelsgleich und legte einen Finger auf die Lippen - die Orgel spielte jetzt sehr laut und gab damit die Ankunft des Pfarrers bekannt. Wir sangen »O Welt, ich muß dich lassen« in einem so getragenen Tempo, daß ich bei jedem Takt Luft holen mußte.
    Der Pfarrer war ein kleiner, plumper Mann, dessen verbliebenes schwarzes Haar in zwei ordentlichen Strähnen über die gerunzelte Birne gekämmt war. Er sah aus wie jene Fernsehpfarrer, bei deren Anblick sich einem der Magen umdreht, aber als er sprach, mußte ich mein Vorurteil revidieren. Er hatte Nancy eindeutig gut gekannt und redete über sie eloquent und kraftvoll. Ich spürte, wie sich meine Kehle zusammenzog und lehnte mich zurück, um die hölzerne viktorianische Decke zu betrachten, die mit blauen und orangefarbenen Mustern bemalt war. Ich konzentrierte mich auf die komplizierten, verschlungenen Linien, und als das letzte Lied angestimmt wurde, hatte ich meine Fassung wiedergefunden und konnte mitsingen.
    Ab und zu warf ich einen Blick auf den jungen Art. Er saß den ganzen Gottesdienst über auf der Kante der Bank und hielt sich an der Lehne der vorderen Reihe fest. Als die Orgel die letzten Töne herausgeschluchzt hatte, stand er auf und ging zum Ausgang.
    Auf der Treppe, wo er von einem betrunkenen Bettler aufgehalten wurde, holte ich ihn ein. Als ich seinen Arm berührte, zuckte er zusammen. »Ich wußte nicht, daß Sie und Nancy befreundet waren«, sagte ich. »Sie hat Sie mir gegenüber nie erwähnt.«
    Er murmelte etwas, das wie »Ich kannte sie flüchtig« klang.
    »Ich bin V. I. Warshawski. Nancy und ich haben in der High-School und auf dem College zusammen Basketball gespielt. Ich hab' Sie letzte Woche in den Räumen der South-Side-Bezirksverwaltung gesehen. Sie sind Art Jurshaks Sohn, nicht

Weitere Kostenlose Bücher