Bloodcast 01 - Cast & Crew
hob sie an die Lippen. Ein letzter Tropfen kroch dünn und wässrig in ihren Mund - das war alles. Die verdammte Flasche war leer, und Sabina hatte kein Geld für eine neue.
Vom Fuß der Mauer aus, an der sie in ihren vor Kälte starren Ledersachen kauerte, ließ sie ihren Blick über den Platz schweifen. Der Anblick war stets derselbe - Männer und Frauen, die geschäftig und mit in die Ferne gerichteten Blicken scheinbar wirr und planlos durcheinanderliefen. Ob sie überhaupt wussten, wohin sie wollten?
Der Gedanke gefiel Sabinas vom Alk benebelten Verstand, und sie musste lachen. Die in schwarzen Netzstrümpfen steckenden Beine hatte sie angezogen und die Arme darumgeschlungen. Unter der Kapuze ihrer Jacke quoll ihr grün gefärbtes Haar hervor. Grün, die Farbe der Hoffnung … Diesmal lachte sie nicht. Es war ein schlechter Witz.
Sabina überlegte gerade, ob sie aufstehen und einige der Passanten, die mit ihren aufgespannten Regenschirmen wie große wandelnde Pilze aussahen, um etwas Geld anschnorren sollte. Da sah sie, wie sich jemand aus der Menge der eiligen Passanten löste und auf sie zukam.
Graues Kostüm.
Trenchcoat.
Blonder Pagenschnitt.
Genau der Typ Frau, der Sabina sonst nicht einmal mit Blicken streifte. Diese Frau jedoch kam geradewegs auf sie zu. Und das war noch nicht alles …
»Sabina Keller?«
Sabina traute ihren Ohren nicht. Von ihrer kauernden Position aus blickte sie an der Frau empor, die nur unwesentlich älter sein mochte als sie selbst, allerdings unverkennbar einen anderen Job hatte. Und wohl auch ein Dach über dem Kopf, wie’s aussah …
»Wer will das wissen?«, stellte sie reflexartig die Gegenfrage.
»Unwichtig«, erwiderte Pagenschnitt. »Es gibt etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen möchte.«
»Mit mir?« Ungläubig schüttelte Sabina den Kopf. »Bist du dir sicher, dass du mich nicht verwechselst?«
»Ziemlich sicher.« Pagenschnitt nickte. Sie war hübsch, auf eine nette und korrekte Art und Weise. Keck hervorspringende Nase, grüne Augen, keine Piercings. Im Grunde, dachte Sabina flüchtig, sah Pagenschnitt so aus, wie sie selbst einmal ausgesehen hatte. »Also?«
»Nur wenn du mir eine Kippe spendierst«, gab Sabina zur Antwort.
Pagenschnitt lächelte. »Das lässt sich machen.«
»Und was zu trinken.«
»Abgemacht. Gehen wir dort drüben ins Café?«
Sabina schaute in die Richtung, in die der Blondschopf deutete. Dass sich dort ein Straßencafé befand, hatte sie bislang nur am Rande registriert. Unter großen roten Schirmen waren Heizpilze aufgestellt, die dafür sorgten, dass man auch bei kühlem Wetter draußen sitzen konnte.
Sabina grinste. Ihr letzter Besuch in einem Café lag lange zurück. Vielleicht würde es ihr sogar Spaß machen. Aber noch überwog das Misstrauen.
»Wozu?«, wollte sie wissen.
»Wie gesagt - ich will mit Ihnen sprechen.«
»Bist du ’n Bulle? Ich nehme keine Drogen. Ich meine, nicht mehr. Und ich deale auch nicht, falls du das meinst.«
Pagenschnitt lachte. »Nein«, versicherte sie, »ich arbeite nicht für die Polizei, keine Sorge.«
»Wer bist du dann?«
»Das erzähle ich Ihnen, sobald wir dort drüben sitzen.«
Sabina zögerte noch immer. Aber die Aussicht auf eine Zigarette und eine wärmende Tasse Kaffee brachte sie schließlich dazu, sich aufzuraffen und der Fremden in das Café zu folgen. »Gehen wir nach drinnen«, schlug sie vor. »Hier draußen ist es zu ungemütlich.«
»Und meine Kippe?«, fragte Sabina.
»Die bekommen Sie nachher.«
»Na schön.« Sabina rümpfte die gepiercte Nase. Die Sache gefiel ihr nicht. Andererseits, was sollte schon groß passieren, mitten in Berlin und am helllichten Tag?
Sie folgte Pagenschnitt in das Lokal und setzte sich dazu, als diese an einem kleinen Tisch Platz nahm, auf dem ein gehäkeltes Deckchen lag. Sabina berührte es behutsam, fast zärtlich. Es weckte Erinnerungen.
»Kaffee?«, fragte Pagenschnitt.
Sabina nickte, und die andere bestellte.
»Na, dann sag endlich, was du von mir willst!«, verlangte Sabina dann zu wissen. »Wer bist du? Und woher kennst du meinen Namen?«
Statt zu antworten, griff die Fremde in eine Tasche ihres Trenchcoats und zog etwas hervor, das sie vor Sabina auf den Tisch legte. Es war ein verschlossenes Kuvert.
»Was ist das?«
»Öffnen Sie es, Frau Keller, und sehen Sie hinein!«
Von Neugier getrieben griff Sabina nach dem Umschlag und warf einen Blick hinein. Als sie das Geld darin erblickte, pfiff sie leise durch die Zähne.
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