Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
»Nun, ich habe das, weshalb ich hergekommen bin, also gehe ich jetzt zurück. Bis morgen früh dann.«
»Ja, bis morgen«, sagte Eddie.
Jill sagte nichts, und als ich sie ansah, betrachtete sie mich wieder mit diesem merkwürdig verzückten Ausdruck. Sie seufzte glücklich. »Adrian hat sich heute Abend in eurem Kurs blendend mit dir amüsiert, weißt du.«
Ich hätte fast die Augen verdreht. »Das Band lässt keinen Raum für Geheimnisse. Er schien sich aber nicht immer gut zu amüsieren.«
»Doch, hat er wirklich«, versicherte sie mir. Ein einfältiges Lächeln glitt über ihre Züge. »Es gefällt ihm, dass du den Wagen mehr liebst als er, und er findet es toll, dass du so gut in deinem Selbstverteidigungskurs bist. Nicht, dass das eine Überraschung wäre. Du bist immer so gut in allem, und du begreifst es nicht einmal. Du begreifst nicht einmal die Hälfte dessen, was du tust – wie zum Beispiel, dass du nur immer auf andere aufpasst und nie an dich selbst denkst.«
Sogar Eddie wirkte etwas erstaunt über ihre Worte. Er und ich wechselten einen verwirrten Blick. »Na ja«, sagte ich verlegen und wusste wirklich nicht, wie ich mit diesem Lobgesang auf Sydney umgehen sollte. Also beschloss ich, dass Flucht die beste Option war. »Danke. Bis später also, und – he! Woher hast du den?«
»Hm?«, fragte sie und tauchte blinzelnd aus ihrer Verzückung auf.
Jill trug einen Seidenschal mit reichen, glitzernden Farben, der mich beinah an einen Pfauenschwanz erinnerte. Er erinnerte mich außerdem noch an etwas anderes, aber ich konnte nicht gleich erfassen, was es war. »Der Schal. Ich habe ihn schon einmal gesehen.«
»Oh.« Sie strich mit den Fingern über den glatten Stoff. »Lia hat ihn mir geschenkt.«
»Was? Wann hast du sie getroffen?«
»Sie war gestern hier, um die Kleider wieder zurückzugeben. Ich hatte es dir nicht erzählt, weil ich wusste, dass du sie nicht haben wolltest.«
»Das stimmt«, sagte ich standhaft.
Jill seufzte. »Komm schon, behalten wir sie einfach! Sie sind so schön. Und du weißt, dass sie sie ohnehin einfach wieder zurückbringen wird.«
»Das besprechen wir später. Erzähl mir von dem Schal.«
»Das ist keine große Sache. Sie hat versucht, mich für diese Schalkollektion anzuwerben … «
»Ja, das hat sie mir auch erzählt. Wie sie es hinbekommen könnte, dass dich niemand erkennen würde.« Ich schüttelte den Kopf, während Überraschung schnell zu Ärger wurde. Hatte ich denn gar nichts mehr unter Kontrolle? »Ich kann nicht glauben, dass sie mich hintergangen hat! Bitte, sag mir nicht, dass du dich heimlich mit ihr zu einem Fotoshooting davongeschlichen hast.«
»Nein, nein«, beteuerte Jill hastig. »Natürlich nicht. Aber du glaubst nicht … ich meine, du glaubst also wirklich nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, wie sie das hinbekommen könnte? Mich zu verstecken?«
Ich bemühte mich um einen sanften Tonfall. Schließlich war ich sauer auf Lia, nicht auf Jill. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Du weißt, dass wir das Risiko nicht eingehen können.«
Jill nickte traurig. »Ja.«
Im Weggehen war ich durch meine Verärgerung so abgelenkt, dass ich fast mit Trey zusammengeprallt wäre. Als er auf meine Begrüßung nicht reagierte, begriff ich, dass er noch abgelenkter war als ich. In seinen Augen stand ein gehetzter Ausdruck, außerdem wirkte er erschöpft.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich.
Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ja, ja. Der Druck ist einfach ziemlich groß. Aber nichts, womit ich nicht fertig werden kann. Was ist mit dir? Werfen sie dich hier raus? Oder bist du es endlich leid geworden, acht Stunden lang hier zu sitzen?«
»Ich hab nur ein einziges Buch gebraucht«, antwortete ich. »Tatsächlich war ich erst seit zehn Minuten hier. Den größten Teil des Abends bin ich weg gewesen.«
Das Lächeln erstarb, und an seine Stelle trat ein Stirnrunzeln. »Mit Brayden?«
»Das ist morgen. Heute Abend hatte ich, ähm, eine Familienangelegenheit zu regeln.«
Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich. »Du gehst viel aus, Melbourne. Du hast ’ne Menge Freunde außerhalb der Schule.«
»So viele nun auch wieder nicht«, widersprach ich. »Ich führe kein Partyleben, wenn du darauf hinaus willst.«
»Ja, hm. Sei vorsichtig! Wie ich gehört habe, ist es da draußen nicht ganz geheuer.«
Mir fiel ein, dass er sich auch um Jill gesorgt hatte. Eigentlich hielt ich mich bei allen Lokalnachrichten auf dem Laufenden und
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