Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
größer und größer, bis sich oben eine Trompetenlilie öffnete. »Ah. Rot. Die der Alchemisten sind weiß – oh, geht es Ihnen gut?«
Ich war so weit auf dem Gehweg zurückgewichen, dass ich schon fast auf der Straße stand. »Sie … Sie sollten das nicht tun. Jemand könnte es sehen.«
»Es hat aber niemand gesehen«, erwiderte sie und stand auf. Dann wurden ihre Züge weicher. »Tut mir leid. Ich vergesse manchmal, wie Sie das empfinden. Es war falsch von mir.«
»Ist schon gut«, sagte ich und wusste nicht genau, ob es tatsächlich gut war. Vampirmagie jagte mir immer eine Gänsehaut über den Körper. Vampire, Geschöpfe, die Blut brauchten, waren schon schlimm genug. Aber in der Lage zu sein, die Welt mit Magie zu manipulieren? Noch schlimmer. Diese Lilie hatte jetzt trotz ihrer Schönheit etwas Finsteres an sich. Sie hätte zu dieser Zeit des Jahres nicht existieren sollen.
Wir verloren kein Wort mehr über Magie und erreichten schon bald die Hauptstraße in die Innenstadt, wo das Thai-Restaurant lag. Wir gaben eine riesige Bestellung zum Mitnehmen auf und erhielten die Information, dass es ungefähr fünfzehn Minuten dauern werde. Sonya und ich trieben uns draußen herum und bewunderten das Stadtzentrum von Palm Springs in der Dämmerung. Leute erledigten auf die letzte Minute noch Einkäufe, bevor die Boutiquen schlossen. In allen Restaurants herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Viele hatten Tische auf den Gehsteig gestellt, und rings umher ertönte das Gesumm freundschaftlicher Gespräche. Ein großer Springbrunnen, mit Fliesen in leuchtenden Farben, faszinierte die Kinder und inspirierte Touristen, stehen zu bleiben und Fotos zu machen. Die verschiedenen Pflanzen und Bäume, mit denen die Stadt ihre Straßen verschönte, lenkte Sonya ab. Selbst ohne die Fähigkeit von Geist, Einfluss auf lebendige Dinge zu nehmen, war sie eine bemerkenswerte Gärtnerin.
»He du! Oberhaupt der Melrose!«
Ich drehte mich um, sah Lia DiStefano auf mich zu stolzieren und zuckte zusammen. Lia war eine Modedesignerin mit einem Laden hier im Zentrum von Palm Springs. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass wir genau gegenüber von ihrem Laden standen. Andernfalls hätte ich im Restaurant gewartet. Lia war klein, hatte aber eine überwältigende Persönlichkeit, die der auffällige Zigeunerstil noch verstärkte, den sie für ihre eigene Kleidung häufig wählte.
»Ich habe Sie wochenlang angerufen«, sagte sie, als sie unsere Straßenseite erreicht hatte. »Warum haben Sie sich nicht gemeldet?«
»Ich war wirklich sehr beschäftigt«, sagte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
»U-hu.« Lia stemmte die Hände in die Hüften und versuchte mich niederzustarren, was irgendwie erstaunlich war, da ich größer war als sie. »Wann werden Sie Ihrer Schwester erlauben, wieder als Model für mich zu arbeiten?«
»Ms di Stephano«, erwiderte ich geduldig, »ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Sie kann es nicht mehr. Unseren Eltern gefällt es nicht. Unsere Religion erlaubt es nicht, Gesichter zu fotografieren.«
Im letzten Monat hatten Jills Körperbau, der für den Laufsteg so ungemein geeignet schien, und ihre zauberhaften, ätherischen Gesichtszüge Lias Aufmerksamkeit erregt. Da es keine sinnvolle Methode gab, sich versteckt zu halten, wenn man zugleich ständig fotografiert wurde, hatten wir Jills Auftritt in Lias Modenshow nur zugestimmt, weil alle Models venezianische Masken getragen hatten. Seitdem hatte mir Lia in den Ohren gelegen, Jill wieder als Model arbeiten zu lassen. Es abzulehnen war schwer, weil Jill es gern wollte, aber sie verstand genauso gut wie ich, dass ihre Sicherheit den Vorrang hatte. Die Behauptung, wir hingen einer obskuren Religion an, hatte häufig unser merkwürdiges Verhalten erklärt, daher war ich davon ausgegangen, ich würde auf diese Weise auch Lia loswerden. Leider gelang es nicht.
»Ich höre nie etwas von Ihren Eltern«, sagte Lia jetzt. »Ich habe Ihre Familie beobachtet. Ich sehe, wie es ist. Sie haben das Sagen. Sie sind diejenige, die ich überzeugen muss. Ich habe die Chance, eine Doppelseite in einer großen Zeitschrift für meine Schals und Mützen zu bekommen, und Jill ist das geborene Model. Was ist nötig, sie zu bekommen? Wollen Sie einen Anteil am Honorar?«
Ich seufzte. »Es geht nicht ums Geld. Wir können ihr Gesicht nicht zeigen. Wenn Sie sie wieder mit einer venezianischen Maske ausstatten, dann können Sie sie gern haben.«
Lia runzelte die Stirn. »Das geht
Weitere Kostenlose Bücher