Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
machten, ziemlich dürftig waren.
»Okay«, antwortete ich.
Nachdenklich kniff er die Augen zusammen. »Veranstaltet deine Schule nicht so eine Art Ball? Möchtest du da hingehen? Man geht doch zu solchen Bällen, oder?«
»Ja, das sagen sie jedenfalls alle. Wie hast du davon erfahren?«
»Das Plakat«, antwortete er. Dann bog er wie aufs Stichwort in die Einfahrt zu meinem Wohnheim ein. Über der Haupttür hing ein Plakat, das Spinnweben und Fledermäuse zierten: LASST EUCH ERSCHRECKEN AUF DEM HALLOWEEN - BALL .
»Oh«, machte ich. »Dieses Plakat.« Eddie hatte recht. Ich musste eindeutig eine selektive Wahrnehmung haben. »Wir können hingehen, wenn du möchtest.«
»Sicher, ich meine, wenn du möchtest.«
Schweigen. Wir beide lachten. »Na gut«, sagte ich. »Dann gehen wir hin.«
Brayden beugte sich zu mir hinüber, und ich geriet in Panik, bis ich sah, dass er lediglich versuchte, einen besseren Blick auf das Plakat zu bekommen. »In anderthalb Wochen.«
»Wohl genug Zeit, um sich Kostüme zu beschaffen.«
»Ja, wahrscheinlich. Obwohl … «
Und das war der Moment, in dem die nächste verrückte Sache passierte. Er nahm meine Hand.
Zugegeben, ich hatte nicht viel erwartet, vor allem nach meiner gemischten Reaktion auf den Kuss. Trotzdem, als er seine Hand über meine legte, war ich überrascht, dass ich wieder genauso empfand … nun ja, ich empfand genauso, als würde ich die Hand von jemand X-Beliebigem berühren. Ein bisschen Gänsehaut oder ein wenig Herzflattern hätte ich schon erwartet. Meine größte emotionale Reaktion war aber die Sorge darüber, was ich mit meiner Hand machen sollte. Meine Finger zwischen seine fädeln? Seine Hand drücken?
»Ich würde gern vorher noch einmal ausgehen«, sagte er. Wieder dieses Zögern. »Wenn du möchtest.«
Ich sah auf unsere Hände hinab und versuchte dahinterzukommen, was genau ich empfand. Er hatte schöne Hände. Glatt, warm. Ich könnte mich daran gewöhnen, diese Hände zu halten. Und natürlich roch er nach Kaffee. Reichte das aus, um darauf eine Liebesbeziehung aufzubauen? Wieder nagte diese Unsicherheit an mir. Welches Recht hatte ich überhaupt auf etwas davon? Ich war doch nicht zu meiner eigenen Unterhaltung in Palm Springs. In der Alchemie gab es kein »Ich«. Na ja, so im Prinzip gab es schon eins, aber das war nicht der Punkt. Ich wusste, dass meine Vorgesetzten das alles sehr missbilligen würden.
Und doch – wann käme diese Chance wieder? Wann würde ich jemals Blumen geschenkt bekommen? Wann würde mich jemand mit solcher Inbrunst ansehen? Ich beschloss, den Sprung zu wagen.
»Natürlich«, sagte ich. »Lass uns wieder ausgehen.«
Kapitel 8
D as nächste Treffen musste bis zum Wochenende warten. Wir befanden uns beide auf einem Leistungsniveau, dass wir ohne weiteres auch dann unsere Arbeiten schaffen würden, wenn wir wochentags ausgingen – aber keiner von uns beiden riss sich darum, wenn es sich eben vermeiden ließ. Außerdem hatte ich in der Woche abends mit der Bande zu tun, mochte es ein Besuch bei Jills Spenderin sein oder die Experimente. Eddie hatte diese Woche seine Blutprobe abgegeben, und ich war zu diesem Zeitpunkt wohlweislich nicht in der Nähe gewesen, für den Fall, dass mir Sonya die Sache etwa erneut schmackhaft machen wollte.
Brayden hatte am Samstag ausgehen wollen, aber ich hatte versprochen, Adrian an diesem Tag nach San Diego zu fahren. Als Kompromiss hatte er sich auf ein Frühstück mit mir geeinigt und mich abgeholt, bevor ich mich auf den Weg machte. Wir gingen in ein Restaurant gleich neben einem der vielen üppigen Golfplätze von Palm Springs. Obwohl ich schon lange angeboten hatte, meinen Anteil zu übernehmen, beglich Brayden weiterhin die Rechnungen fürs Essen und übernahm auch sämtliche Fahrtkosten. Als er anschließend vor meinem Wohnheim vorfuhr, um mich abzusetzen, erwartete mich ein überraschender und nicht gänzlich willkommener Anblick: Adrian saß auf einer Bank vor dem Gebäude und wirkte gelangweilt.
»Oje«, sagte ich.
»Was ist?«, fragte Brayden.
»Das ist mein Bruder.« Ich wusste, dass es sich nicht vermeiden ließ. Das Unausweichliche war geschehen. Wahrscheinlich würde Adrian an Braydens Stoßstange kleben, bis ich die beiden miteinander bekannt gemacht hatte. »Komm, du kannst ihn kennenlernen.«
Brayden ließ den Motor im Leerlauf, stieg aus und warf einen ängstlichen Blick auf das Parkverbotsschild. Adrian sprang auf, einen Ausdruck tiefer Befriedigung auf dem
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