Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
fast hundertprozentig sicher, dass sie nicht bei Keith war, aber er sollte wahrscheinlich trotzdem über ihr Verschwinden in Kenntnis gesetzt werden. Es war etwas, worauf ich mich nicht freute, weil ich wusste, dass mich eine Predigt erwartete. Außerdem würde er in den Augen der anderen Alchemisten als ein Zeichen für mein Versagen gewertet werden. Ich hätte an Jills Seite bleiben sollen. Das war mein Job, nicht wahr? Stattdessen hatte ich – dumm, wie ich war – jemandem geholfen, etwas zu erledigen. Und zwar nicht irgendwem – sondern einem Vampir. So würden die Alchemisten es sehen. Vampirliebchen.
»Ich war gerade bei Adrian«, erklärte ich langsam. »Ich nehme an, sie könnte irgendwie zu Clarence gekommen sein und dort auf ihn gewartet haben. Ich bin nicht mit reingegangen.«
»Bei Adrian hab ich es auch schon versucht«, sagte Eddie. »Keine Antwort.«
»Tut mir leid«, murmelte ich. »Wir waren bei seinen Vorstellungsgesprächen, also wird er wahrscheinlich sein Handy ausgeschaltet haben. Willst du es noch mal bei ihm probieren?« Ich selbst wollte das ganz sicher nicht tun.
Eddie trat beiseite, um Adrian anzurufen, während ich mit Mrs Weathers und dem Angestellten sprach. Micah ging in der Lobby auf und ab und wirkte besorgt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn immer von Jill fernhalten wollte. Das Rassending war schon ein Problem, aber ihm lag wirklich an ihr. Ich nannte dem Angestellten alle Orte, die Jill auf dem Campus gern aufsuchte. Sie bestätigten, dass sie sie alle bereits abgesucht hatten.
»Hast du ihn erreicht?«, fragte ich, als Eddie zurückkam.
Er nickte. »Sie ist nicht da. Aber irgendwie fühle ich mich mies. Er macht sich jetzt große Sorgen. Vielleicht hätten wir noch warten sollen, bevor wir es ihm gesagt haben.«
»Nein … tatsächlich könnte das eine gute Sache sein.« Ich sah Eddie in die Augen und erkannte einen Funken des Begreifens. Adrians Gefühle schienen Jill zu erreichen, wenn sie besonders stark waren. Sollte er panisch genug sein, würde sie hoffentlich begreifen, dass sich Leute um sie sorgten – und wieder auftauchen. Wobei das voraussetzte, dass sie sich versteckt hielt oder irgendwo hingegangen war, wo wir sie nicht finden konnten. Ich versuchte, nicht an die Alternative zu denken: dass ihr irgendwo etwas zugestoßen war, wo sie sich nicht mit uns in Verbindung setzen konnte.
»Manchmal schleichen sich Schüler einfach weg«, sagte der Angestellte. »Das ist unvermeidlich. Im Allgemeinen versuchen sie, vor der Sperrstunde einfach wieder zurückzuschleichen. Hoffentlich ist das auch jetzt der Fall. Wenn sie bis dahin nicht auftaucht – nun, dann werden wir die Polizei verständigen.«
Er ging davon, um das restliche Wachpersonal für einen Statuscheck anzufunken, und wir dankten ihm für seine Hilfe. Mrs Weathers kehrte zum Empfangstresen zurück, aber es war klar, dass sie besorgt und erregt war. Zwar konnte sie sich manchmal schroff geben, aber ich hatte das Gefühl, dass ihre Schüler ihr tatsächlich am Herzen lagen. Micah ließ uns allein, um nach einigen Freunden zu suchen, die auf dem Campus arbeiteten, und zu hören, ob sie irgendetwas gesehen hatten.
Damit blieben nur noch Eddie und ich. Ohne uns miteinander zu beraten, gingen wir zu einigen Stühlen in der Lobby. Wie ich auch, denke ich, wollte er die Tür im Auge behalten, damit er Jill gleich sah, wenn sie wieder auftauchte.
»Ich hätte sie nicht allein lassen sollen«, sagte er.
»Du musstest sie aber allein lassen«, widersprach ich. »Du kannst beim Unterricht und auf ihrem Zimmer nicht bei ihr sein.«
»Diese Schule war eine schlechte Idee. Sie ist zu groß. Zu schwer zu sichern.« Er seufzte. »Ich kann’s nicht fassen.«
»Nein … es war eine gute Idee. Jill braucht doch wenigstens ein annähernd normales Leben. Du hättest sie irgendwo in ein Zimmer sperren und völlig isolieren können, aber was hätte das genutzt? Sie muss zur Schule gehen und unter Leuten sein.«
»In dieser Hinsicht hat sie aber nicht viel unternommen.«
»Nein«, gab ich zu. »Sie hatte es wirklich schwer. Ich habe die ganze Zeit über gehofft, dass es besser werden würde.«
»Ich wollte nur, dass sie glücklich ist.«
»Ich auch.« Ich richtete mich auf, als mir ein erschreckender Gedanke kam. »Du denkst doch nicht … du denkst doch nicht, sie könnte weggelaufen und zu ihrer Mom zurückgekehrt sein, oder? Oder an den Hof oder sonst irgendwohin?«
Sein Ausdruck wurde noch
Weitere Kostenlose Bücher