Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
er Micah immer noch für harmlos hielt. Ich selbst war zwar im Zweifel, aber nachdem ich gesehen hatte, wie vernarrt Jill in Lee war, müsste Micah wohl ziemlich aggressiv vorgehen, um überhaupt etwas zu erreichen.
»Ich weiß genau, dass es in Ordnung ist«, antwortete ich.
Jill wirkte erleichtert, und die Gruppe brach auf. Ich verbrachte den Rest des Tages damit, dieses elende Buch für Ms Terwilliger zu Ende zu bringen. Ich hielt es immer noch für Zeitverschwendung, eine wörtliche Kopie der archaischen Zauber und Rituale zu erstellen. Der einzige Sinn, den ich darin entdecken konnte, bestand darin, dass sie, wenn sie in ihrer Arbeit jemals darauf verweisen musste, eine leicht zugängliche Computerdatei hätte. So konnte es nicht geschehen, dass sie eventuell das uralte Buch beschädigte.
Es war Abend, als ich mit diesem Buch und meinen anderen Hausaufgaben fertig war. Jill war noch immer nicht zurück, und ich beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und etwas zu überprüfen, das schon an mir genagt hatte. Früher am Tag hatte Jill erwähnt, dass Eddie sie bei dem Überfall verteidigt habe. Ich hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass an diesem ersten Überfall irgendetwas merkwürdig war, etwas, das sie mir nicht erzählen wollten. Also loggte ich mich in das Alchemistennetzwerk ein und rief alles auf, was wir über Moroi-Rebellen hatten.
Natürlich war alles dokumentiert. Wir mussten uns über wichtige Ereignisse unter den Moroi auf dem Laufenden halten, und diese Sache hatte eine ziemlich hohe Priorität. Irgendwie hatten die Alchemisten Fotos vom Moroi-Hof in die Hände bekommen, mit Demonstranten, die sich vor einem der Verwaltungsgebäude aufgestellt hatten. Dhampirwächter, die sich unter die Leute mischten und für Ordnung sorgten, waren leicht zu erkennen. Zu meiner Überraschung entdeckte ich unter den Wächtern in der Menge auch Dimitri Belikov – Roses Freund. Er war leicht zu entdecken, da er fast immer größer war als alle anderen um ihn herum. Dhampire wirken sehr menschlich, und selbst ich musste zugeben, dass er ziemlich attraktiv war. Er sah auf eine schroffe Weise gut aus, und selbst auf einer Fotografie erkannte ich, mit welchem Ingrimm er die Menge beobachtete.
Andere Fotos der Demonstrationen bestätigten, was ich bereits wusste. Die überwiegende Zahl der Leute unterstützte die junge Königin. Jene, die gegen sie waren, stellten eine Minderheit dar – aber eine laute und gefährliche. Ein Video aus einer menschlichen Nachrichtensendung in Denver zeigte zwei Moroi-Männer, die in einer Kneipe fast aneinandergeraten wären. Sie schrien etwas über Königinnen und Gerechtigkeit, Dinge, die den meisten, überwiegend menschlichen Beobachtern überhaupt nichts sagen mochten. Was das Video allerdings zu etwas Besonderem machte, war der Mann, der es aufgenommen hatte – ein x-beliebiger Mensch mit einer Handykamera. Er behauptete, er habe bei beiden streitenden Männern Reißzähne gesehen. Der Besitzer der Handykamera hatte seine Aufzeichnung zur Verfügung gestellt und erklärt, er habe einem Vampirkampf zugeschaut. Aber niemand schenkte ihm viel Glauben. Die Aufnahme war zu körnig, als dass sich darauf etwas erkennen ließ. Trotzdem erinnerte es mich daran, was geschehen konnte, wenn die Situation mit den Moroi außer Kontrolle geriet.
Eine Statusüberprüfung zeigte mir, dass Königin Vasilisa tatsächlich ein Gesetz durchbringen wollte, wonach ihre Herrschaft nicht länger davon abhing, dass es mindestens ein weiteres Mitglied in ihrer königlichen Familie gab. Experten unter den Alchemisten schätzten, dass es drei Monate dauern werde, also ungefähr die Zeit, die auch Rose genannt hatte. Die Zahl stand ebenso drohend in meinem Kopf wie eine tickende Zeitbombe. Wir mussten Jill drei Monate lang beschützen. Und drei Monate lang würden sich Vasilisas Feinde umso härter ins Zeug legen, um an Jill heranzukommen. Wenn Jill starb, würde Vasilisas Herrschaft enden – und damit auch ihr Versuch, das System zu verbessern.
Doch in Wirklichkeit hatte mich das alles gar nicht zu meinen Nachforschungen getrieben. Ich wollte etwas über den ersten Überfall auf Jill erfahren, den, von dem niemand sprach. Was ich herausfand, war allerdings keine große Hilfe. Natürlich waren zu der Zeit keine Alchemisten zugegen gewesen, daher gründeten sich unsere Informationen auf das, was Moroi-Quellen berichtet hatten. Wir wussten nur, dass »auf die Schwester der Königin ein bösartiger und
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