Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
»Dann braucht sie einen Arzt! Wir müssen sofort jemanden rufen. Ich werde Mrs Weathers bitten … «
»Nein!« Julia sprang auf und hielt mich am Arm fest. »Das darfst du nicht. Der Grund für ihren Zustand ist … also, wir glauben, es liegt an der Tätowierung.«
»Tätowierung?«
Eins der anderen Mädchen griff nach Kristins Handgelenk und drehte es so, dass ich die Innenseite sehen konnte. Dort war mit glitzernder, kupferfarbener Tinte auf ihrer dunklen Haut ein Gänseblümchen eintätowiert. Ich erinnerte mich daran, dass Kristin unbedingt eine Celestial-Tätowierung hatte haben wollen, sich nach meinen letzten Informationen jedoch keine leisten konnte. »Wann hat sie das machen lassen?«
»Heute Morgen«, antwortete Julia. Und blickte beschämt drein. »Ich habe ihr das Geld geliehen.«
Ich betrachtete die funkelnde Blume, die so hübsch und scheinbar harmlos aussah. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie die Ursache für diesen Anfall war. Was der Tinte auch beigemischt worden sein mochte, um den Träger high zu machen, ihr System reagierte jedenfalls nicht richtig darauf.
»Sie braucht einen Arzt«, stellte ich energisch fest.
»Das kannst du nicht machen! Bitte! Wir müssten dem Arzt von den Tätowierungen erzählen«, wandte das Mädchen ein, das Kristins Hand gehalten hatte. »Niemand hat Trey geglaubt, aber wenn sie so etwas sehen würden … na ja, dann könnte Nevermore endgültig dichtmachen.«
Gut!, dachte ich. Aber zu meinem Erstaunen nickten die anderen versammelten Mädchen zu ihren Worten. Waren sie denn verrückt? Wie viele von ihnen hatten diese lächerlichen Tätowierungen? Und war es wirklich wichtiger, diese Tätowierungen zu verbergen, als Kristins Leben zu retten?
Julia schluckte und setzte sich wieder auf die Bettkante. »Wir hatten gehofft, das würde einfach vorbeigehen. Vielleicht braucht sie etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen.«
Kristin stöhnte. Ein Bein zitterte wie bei einem Muskelkrampf, dann lag es wieder reglos da. Ihre Augen mit den großen Pupillen starrten ins Leere, während ihr Atem nur flach ging.
»Sie hatte den ganzen Tag Zeit!«, bemerkte ich. »Leute, sie könnte sterben.«
»Woher weißt du das?«, fragte Julia erstaunt.
Ich wusste es nicht, nicht mit Bestimmtheit, aber ab und zu vertrug jemand auch Alchemisten-Tätowierungen nicht richtig. In neunundneunzig Prozent der Fälle akzeptierte der menschliche Körper das Vampirblut, das für eine alchemistische Tätowierung verwendet wurde, so dass sich seine Eigenschaften mit unseren eigenen vermischen konnten und wir zu so etwas wie einem Dhampir auf unterster Stufe wurden. Dadurch gewannen wir Standvermögen und ein langes Leben, obwohl wir kaum die erstaunlichen körperlichen Fähigkeiten der Dhampire erhielten. Dafür war das Blut zu sehr verdünnt. Trotzdem erkrankte hin und wieder die eine oder andere Person an einer Alchemisten-Tätowierung. Das Blut vergiftete die Betreffenden. Verschlimmert wurde die Sache dadurch, dass das Blut wegen des Goldes und der anderen Chemikalien in der Haut verblieb und sich nicht verflüchtigen konnte. Unbehandelt starben die Personen daran.
Vampirblut würde kein euphorisches High verursachen, daher glaubte ich nicht, dass in dieser Tätowierung etwas davon enthalten war. Aber die Behandlungsmethode, die wir bei Alchemisten-Tätowierungen anwandten, beruhte darauf, die metallischen Bestandteile der Tätowierung abzubauen, um das Blut freizusetzen, so dass sich der Körper dann auf natürliche Weise reinigen konnte. Ich musste davon ausgehen, dass das gleiche Prinzip auch hier funktionieren würde. Nur kannte ich die genaue Formel der alchemistischen Komponenten nicht und wusste nicht einmal genau, ob sie Kupfer ebenso abbauen würden wie Gold.
Ich biss mir auf die Unterlippe, dachte nach und traf schließlich eine Entscheidung. »Bin gleich wieder da«, erklärte ich und rannte in mein Zimmer. Die ganze Zeit über schalt mich eine innere Stimme wegen meiner Torheit. Ich hatte nicht das Recht zu versuchen, was ich gleich versuchen würde. Vielmehr sollte ich geradewegs zu Mrs Weathers gehen.
Stattdessen öffnete ich meine Zimmertür und traf Jill mit ihrem Laptop an. »Hi, Sydney«, sagte sie lächelnd. »Ich chatte grad mit Lee und … « Sie stutzte. »Was ist los?«
Ich schaltete meinen eigenen Laptop ein und setzte mich aufs Bett. Während er hochfuhr, griff ich nach einem kleinen Metallkoffer, den ich sorgfältig gepackt hatte, von dem ich jedoch nie
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