Bloodman

hätten sie auf das Wetter geflucht. Doch so, wie die Dinge standen, ging Jake einfach zum Kühlschrank, und Spencer lockerte seine verspannten Schultern.
    Die Welt bestand aus einem dunklen Grau, durch das die weißen Strahlen der Blitze flackerten, und der Ozean rollte in einer gewaltigen Dünung heran, wie Jake sie noch nicht erlebt hatte. Er hielt eine Sekunde lang inne und versuchte, durch den Regen den kaum noch sichtbaren Strand zu erkennen. Der Pool erzitterte und bebte im Sturm, und die Seerosen drängten sich an der Wand zusammen, die dem Haus am nächsten lag. Manche von ihnen schwappten über den Rand und wurden gegen die Fenster geworfen. Und das war nur der Anfang.
    Â»Jake, darf ich dich etwas fragen?«
    Spencer lehnte unter der Shot Marilyn am Piano. Links von ihm, neben dem großen Kamin aus Schieferplatten, der wie ein versteinerter Baum bis in die Dachbalken emporwuchs, stand der ödipale Chuck Close mit seinen herausgeschnittenen Augen. Spencer betrachtete das Bild eine Sekunde lang, blinzelte wie eine Eule und versuchte, die Augen auf die beschädigte Leinwand scharf zu stellen.
    Jake öffnete den Kühlschrank und nahm zwei Glasflaschen Cola heraus. Die Taschenbücher waren verschwunden. Alles, was noch übrig war, waren die kalte Pizza vom gestrigen Abendessen, ein halber Laib Weißbrot und eine unberührte Schüssel Thunfischsalat.
    Spencer wandte sich von dem Gemälde ab. »Was hast du da draußen getrieben?«
    Jake knackte die Kronkorken mit einem Flaschenöffner mit Horngriff und reichte Spencer eine Cola. »Wo draußen?«
    Â»Wo du eben so warst.«
    Jake trank einen großen Schluck direkt aus der Flasche, und es schmeckte überraschend gut.
    Â»Ich meine, wir hingen im Jachtklub ab, rauchten Gras und machten am Wochenende die Mädels aus der großen Stadt an.« Spencers Stimme veränderte sich, während er in der Zeit zurückging. »Ich war damit zufrieden. Aber an einem Tag warst du noch mein bester Freund und am nächsten spurlos verschwunden. In der Stadt ging sogar das Gerücht, dass dein Dad dich ermordet und in der verdammten Garage verscharrt hätte, Mann. Und dreißig Jahre später kommst du zurück als eine Art paranormaler Experte für die John Wayne Gacys dieser Welt und siehst aus wie Rob Zombies großer Bruder.«
    Jake hielt mitten in einem zweiten Schluck inne und setzte die Flasche ab. Er spürte Kopfschmerzen nahen und überlegte, ein paar Tylenol zu nehmen. »Eigentlich dachte ich, es wäre der Tom-Ford-Look.« Da schlug es zu. Schon wieder. Ein Bild von seiner Frau und seinem Sohn blitzte auf, unmittelbar gefolgt von einem Stoß in seiner Brust, der einem Kolbenfresser gleichkam. Er stützte sich auf die Kante der Theke, die Finger um das abgewetzte Resopal gekrallt, das sich normalerweise kalt angefühlt hätte. Jetzt vibrierte es mit einem tiefen Summen, dass ihm die Zähne klapperten und er bis auf die Knochen durchgerüttelt wurde. Und in all dem verborgen lag der Klang von Kays lachender Stimme. Irgendwo im Hintergrund imitierte Jeremy das Brüllen von Dinosauriern. Es gab eine Funkinterferenz, dann verlor seine Antenne das Signal, und ihre Stimmen wurden zu einem stotternden Schmatzen. Zu einem Pfeifen. Und schließlich Stille.
    Er blickte auf und sah, dass Spencer ihn mit merkwürdigem Ausdruck musterte. »Jake, was …«
    Jake schüttelte mit einer Endgültigkeit den Kopf, die jede weitere Diskussion ausschloss. Wenn er über sie sprach, würde es ihn zerreißen. Er durfte nicht einmal an sie denken, und bis jetzt war ihm das ganz gut gelungen. Irgendwie. Der Trick bestand darin, sich in keiner Weise nach ihnen zu sehnen. Und das war das Schwerste daran.
    Jake kam zum Thema zurück. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Das große Warum? Heute würde ich sicher einiges anders machen, aber hier fortzugehen gehört nicht dazu.« Er kramte in der Küche herum, bis er das Tylenol in einer der Tüten von der Apotheke fand, die das ›Lebensnotwendigste‹ enthielten. Er öffnete den kindersicheren Deckel, schüttete sich drei Pillen in die Hand und spülte sie mit einem Mund voll Cola hinunter. »Aber wieder herzukommen?« Er ließ die Frage einfach stehen. Was sollte er dazu schon sagen?
    Der Regen hämmerte vom Meer her jetzt beinahe waagerecht gegen die Fenster. Die Sperrholzplatte, die das