Bloodman
über, dann lieà er das Klemm-Halfter auf seinen Gürtel schnappen. Die groÃkalibrige Handfeuerwaffe mit dem schwarzen Kampfgriff war vor dem dunklen Hintergrund beinahe unsichtbar. Nur der Edelstahllauf blitzte heraus. Jake stieg mit bloÃen FüÃen in seine Stiefel und deutete auf Spencer. »Ich muss ihn mir für drei Stunden ausleihen. Ziehen Sie den Bewacher meines Vaters im Krankenhaus ab, wenn Sie mehr Personal benötigen.«
»Wofür brauchen Sie ihn?«
Jake dachte wieder an Sobel und den Bloodman. »Ich glaube, mein Vater weiÃ, wer dafür verantwortlich ist. Ich denke, er hat zu viel Angst, um es in Worte zu fassen, aber nicht in Farbe. Er hat Jahre damit verbracht, das Atelier da drauÃen mit etwa fünftausend unheimlichen kleinen Leinwänden zu füllen. Es ist ein Puzzle. Und es hat etwas zu bedeuten. Ich glaube, es ist ein Porträt des Täters. Des Bloodmans. Ich muss diese Bilder fotografieren, und ich muss sie mit einer Mustererkennungs-Software analysieren lassen. Wenn es möglich ist, wird der Computer sie zusammensetzen.«
Hauser betrachtete Jake ein paar Sekunden lang. »Und was dann?«
»Dann weià ich, wen ich töten muss.«
51
Frank stellte den gewaltigen Humvee am Rande des Parkplatzes ab, wo er notfalls den Zaun niederwalzen und so die StraÃe erreichen konnte, falls die Gegend vollständig überschwemmt werden sollte. Der Himmel ergoss sich in einem steten Strom zur Erde, und der Parkplatz war stellenweise schon dreiÃig Zentimeter tief von wogenden Pfützen bedeckt. Ein Starbucks-Kaffeebecher schwamm vorbei, gefolgt von einer ganzen Armada von anderen Abfällen. Als Frank aus dem Monsterauto stieg, trieb eine Plastiktüte vorüber, als würde sie an einem von Walmart gesponserten Quallenrennen teilnehmen. Er watete gleichmäÃigen Schritts auf das Krankenhaus zu. Das Wasser schwappte bis an die Schäfte seiner Stiefel.
Frank Coleridge erkannte den zerstörten Schatten des Mannes, der einmal sein Bruder gewesen war, nicht wieder. Er schlief unter dem gelben Rechteck einer Leuchtstofflampe, die oberhalb des Kopfteils hing wie eine Grabtafel. Sein Gesicht sah aus wie ein verzerrtes, vom Feuer verwüstetes Spiegelbild. Er und sein Bruder waren eineiige Zwillinge, aber ein Leben voll individueller Abnutzung hatte bei jedem die Narben anderer Schlachten hinterlassen. Nach dem Feuer und dem Sprung durch die Glasscheibe bestand bestenfalls noch periphere Ãhnlichkeit. Frank war überrascht, dass zwei Körper, die aus denselben molekularen Bausteinen bestanden, sich so unterschiedlich entwickelt haben konnten.
Die Zerstörungen an der sterblichen Hülle seines Bruders waren umfassend â Bart und Augenbrauen weggebrannt. Eine zwanzig Zentimeter lange Narbe, wo ein scharfer Glassplitter die linke Augenbraue und Wange zerschnitten hatte, glänzte von Stichen und einer undurchsichtigen, antiseptischen Salbe. Jake hatte Frank von den Händen erzählt, aber erst beim Anblick der bandagierten Stümpfe an den Enden der Handgelenke verstand Frank richtig, dass Jacobs Tage als Maler â abgesehen von dem unheimlichen, blutigen Porträt â vorbei waren. Auf physische Verwüstungen war er gefasst gewesen, aber sie waren nichts im Vergleich zu Jacobs geistigem Abbau.
Sich klarzumachen, dass der brillante Jacob Coleridge langsam den Reaktorkern in seinem Kopf verlor, bereitete Frank groÃe Schwierigkeiten. Jacob war seit dem Tag, als ihre Zelle sich geteilt hatte, ein Fixpunkt in seinem Leben gewesen, lange bevor er Ehemann oder Vater oder Maler geworden war. Der eine, ununterbrochene Faden, der sich durch alle Phasen ihres Lebens zog, war Jacobs Genie gewesen. Frank wusste, dass sie biologisch gesehen Zelle für Zelle die gleiche graue Masse besaÃen, aber das Leben hatte ihn gelehrt, dass das in der Praxis einen Dreck zählte. Er hatte einmal eine Sendung im Discovery Channel gesehen, in der NASA -Ingenieure nachwiesen, dass Hummeln technisch gesehen nicht fliegen konnten. Durch einen genetischen Taschenspielertrick war Jacob eben ein gröÃerer Anteil von dieser undefinierbaren Qualität zugefallen, die man Talent nannte. Aber Frank war nie eifersüchtig auf seinen Bruder gewesen, auÃer, was Mia betraf.
Mia.
Ihr Name löste immer noch einen dumpfen Schmerz in seiner Brust aus. Das hatte er Jacob nie gesagt. Auch Mia nicht. Er hatte geglaubt, es wäre das
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