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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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sieben Meter über dem schwarzgestrichenen Betonboden in einer nahtlosen Wolke aus Schatten und schwarzer Farbe verborgen. Wenn er sich bewegte, schienen die an die Decke gemalten Figuren durch die Dunkelheit zu kriechen und ihm zu folgen. Sobald er stehen blieb, verblasste die Illusion und die blutigen Gestalten erstarrten.
    Aber das Unheimlichste – sozusagen der Höhepunkt von Jacobs Sixtinischer Kapelle der wahnsinnigen Dämonen – waren die überall aufgetürmten Leinwände, dieselben sinnlosen Klecksereien, die im Haus herumlagen. Es gab Hunderte davon, vielleicht sogar Tausende, und sie füllten jeden freien Fleck aus, aufeinandergestapelt wie wertloses Frachtgut. Jake sah sich ehrfürchtig um und musste an das alte Sprichwort von dem verrückten Specht denken. How much wood can a woodchuck chuck . Wie viele irre Bilder malt ein irrer Maler, wenn er irre Bilder malt?
    Die Antwort lautete: einen verfluchten Haufen davon.
    Jake nahm eines davon in die Hand und betrachtete die Komposition. Es war genau wie die anderen in der Küchenschublade, auf der Empore oder unter dem Piano – eine leblose, nicht richtig farbige Form. Er sah sich ein paar andere an. Einige waren grau, andere schwarz, weitere hatten die Farbe von schwärenden Tumoren. Noch mehr Nicht-Bilder. Negativer Raum. Tote Kleckse. Aber ihre Anzahl verlieh ihnen eine mächtige Stimme und sagte ihm, dass sie einen Sinn haben mussten. Wie lange hatte sein Vater dazu gebraucht? Ein Jahr? Zwei? Zehn? Jake legte die Bilder wieder hin und sah sich weiter im Atelier um.
    Die Blicke der gesichtslosen Figuren zwischen den Balken folgten ihm immer noch. Sein Vater hatte sich nie für einen Klassizisten gehalten, aber die dreidimensionalen Darstellungen von was zum Teufel das da sein sollte waren mehr als lebensecht. Sie waren phantastisch. Gepeinigte, schreckliche Bildnisse, die … ja, was eigentlich repräsentierten? Er ließ den Blick über die schwarze Skyline der Decke gleiten und registrierte die immer wieder gleichen Details des Mannes, den Jacob an die Wand seines Krankenzimmers gemalt hatte – was zum Teufel bedeutete das?
    Gehäutet , flüsterten sie im Chor.
    Sie enthielten eine Botschaft. Sie waren ein Zeichen. Es gab einen tieferen Grund für sie. Jake spürte es, aber er konnte den Sinn nicht erkennen. Und das beunruhigte ihn. Diese leblosen kleinen Leinwände wollten ihm etwas mitteilen. Genau wie der gesichtslose Mann aus Blut an der Krankenhauswand. Wie das Chuck-Close-Porträt mit den fehlenden Augen. Wie die Bilderstapel. War es möglich, dass es sich tatsächlich nur um Wahnsinn handelte? Alzheimer? Paranoia? Alles miteinander?
    Irgendwo im verrottenden Apfel des Verstandes seines Vaters saß der Wurm eines Gedankens, dem der alte Mann gehorchte. Er hatte sich durch sein Hirn gefressen und ihm kranke Botschaften gesendet, die er auf seine eigene Art dechiffrierte. Wie viel davon war in das eingeflossen, was er hier zu sagen versuchte? Zufälligkeit war ausgeschlossen – zu viel langfristige Planung steckte in der Ausführung. Jemand mit Alzheimer wäre schon lange aus der Spur geraten. Was also hatte er ausdrücken wollen?
    Jake drehte sich um sich selbst, während sich seine Blicke in die Wände fraßen und versuchten, um die Leinwände herumzusehen, die sich stapelten wie Säulen aus Pizzaschachteln. Von einem Trompe-l’Œil- Standpunkt aus betrachtet war es eine technische Meisterleistung. Wo immer er stand, die Gesichtslosen beobachteten ihn.
    Sie versuchten, ihm etwas mitzuteilen.
    Aber wie bei der Sprache der Toten, die er entzifferte, brauchte er den richtigen Code. Den gemeinsamen Wortschatz. Das Geheimnis, wie der Verstand seines alten Herrn arbeitete. Und das hätte ebenso gut in den alten Glyphen der Osterinsel niedergeschrieben sein können.
    Jake verstand sich darauf – und deshalb war er gut in seinem Job –, sich in die Gedankengänge von Mördern hineinzuversetzen. Und die Killer, die er jagte, waren Künstler. Eine gestörte, sadistische Kunst vom Standpunkt der Gesellschaft aus, sicher, doch diese Haltung übersah das Offensichtliche: Für die Täter war es Kunst. Und sie drückte sich in ihrem einzigartigen Stil aus, der Sprache des Wurms, der codierte Sequenzen in den verrottenden Apfel sendete. Jake besaß die Gabe, die spezifische künstlerische Sprache der Mörder zu entziffern, indem er ihrer

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