Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
Vom Netzwerk:
hatte, gab es nicht mehr viel auf diesem Planeten, was einem Angst einjagen konnte.
    Außer vielleicht der Vergangenheit.

29
    Jake saß auf einer alten, verbeulten Werkzeugkiste voller Pinsel, Palettenmesser und den sonstigen Utensilien seines Vaters. Es war ein altes Snap-on- Modell, bedeckt mit farbigen Fingerabdrücken, Pinselstrichen und zufälligen Farbklecksen. Eine geöffnete Flasche Cola stand unberührt auf dem Betonboden, und das Kondenswasser, das an ihr herablief, bildete einen feuchten Ring, der im Staub versickerte. Jake hatte einen Fuß auf die Kante der Werkzeugkiste hochgezogen, hielt sein Knie umschlungen und starrte in eine Dunkelheit, die Breughels Der Triumph des Todes entsprungen schien. Es drang kein Licht von draußen herein, nur Glühbirnen erhellten den Raum.
    Erst dachte er, es wäre der Wind. Oder eine Art kantiges Geräusch, das der Ozean verursacht hatte. Dann hörte er es ein zweites Mal, und die unverwechselbare Kadenz menschlicher Sprache tönte aus den Vokalen. Jemand rief. Ein wenig zögerlich zwar, aber laut.
    Â»Hallo? Hallo?«
    Jake erkannte Stimme und Akzent. Er stieß sich von der Werkzeugkiste hoch und ging nach draußen.
    Ein Mann im Anzug stand auf der Terrasse und beugte sich vor, um durchs Fenster ins Wohnzimmer zu spähen. Die Haltung, die Haare, die weichen, rosafarbenen Hände, die er hinter dem Rücken verschränkt hielt, der maßgeschneiderte Anzug – nichts hatte sich in achtundzwanzig Jahren verändert. Jake trat unhörbar von hinten an ihn heran, flüsterte ihm ins Ohr: »Hallo, David.«
    David Finch fuhr zurück, schlug sich den Kopf an einem Pfosten an und verwandelte das überraschte Zusammenzucken in eine schnell ausgestreckte Hand. »Hallo.«
    Jake sagte einen Moment lang gar nichts und beobachtete den Mann. »Ich bin es. Jake.«
    Finchs Augen verengten sich, und er musterte Jake demonstrativ von Kopf bis Fuß. »Jakey?« Er starrte ihm ins Gesicht, dann zeigte er sein breites, poliertes Lächeln. »Du siehst immer noch aus wie Charles Bronson.«
    David Finch war einer der führenden Galeristen von New York und Jacob Coleridges Entdecker. Beides schloss sich ja nicht gegenseitig aus.
    Â»Und du siehst aus wie ein Parasit, der eine noch nicht ganz tote goldene Gans aussaugen will.«
    Â»Ich wusste gar nicht, dass du deinem Vater so nahestehst, Jakey.«
    Â»Fick dich.«
    Â»Verdienst du dein Geld immer noch mit dem Mund?«, fragte Finch.
    Jake trat wieder einen Schritt näher auf den Mann zu und zeigte seine Zähne in einem hässlichen Lächeln. »Was willst du hier?«
    Â»Ich habe Blumen geschickt. Hat dein Vater sie bekommen?«
    Jake erinnerte sich an die zerbrochene Kristallvase. »Mein Vater bekommt überhaupt nichts mehr mit.«
    Finch sah sich auf der Terrasse um. Wonach? Nach Hilfe vielleicht. »Jakey, können wir uns unterhalten?«
    Jake dachte an ihre letzte Begegnung zurück. Als er den Mann um einunddreißig Dollar gebeten hatte. Und abgewiesen worden war. An all die Dinge, die er hatte tun müssen, um etwas zu essen zu haben. »Nein, David, ich glaube, das können wir nicht.« Außerdem waren Kay und Jeremy da, und Jake wollte nicht, dass sie noch mehr von seinem alten Leben besudelt wurden, als es ohnehin schon der Fall war.
    Â»Ich muss mit dir über das Werk deines Vaters reden.«
    Jake dachte an das blutige, an die Krankenhauswand gekritzelte Porträt. »Was er tut, ergibt keinen großen Sinn mehr, wie immer man es betrachtet, David. Der alte Jacob Coleridge ist in den ewigen Urlaub gegangen.«
    Finch deutete durch das Fenster auf den Chuck Close ohne Augen. »Jacob Coleridge hätte so etwas nie mit einem Close getan. Mit einem Cy Twombly vielleicht – vielleicht . Aber Close? Und wenn ganz Rom in Flammen stünde, er wäre derjenige, der das Museum mit der Axt in der Hand verteidigt.«
    Â»Es ist Alzheimer, David – keine Wagneroper. Jacob Coleridge kommt nicht mehr zurück.«
    Finchs Kopf ruckte wütend herum. »Ich weiß, dass du und dein Vater euch nicht gerade simpatico wart, Jake, aber ich kenne deinen alten Herrn, wir sind seit beinahe fünfzig Jahren befreundet. Wir haben in schwierigen Zeiten zusammengehalten, als wir beide genügend andere Angebote hatten, um unsere Karrieren anderweitig voranzutreiben. Aber das haben wir nicht getan, weil wir ein gutes

Weitere Kostenlose Bücher