Bloodman
sich die Haut plattzog. »Ich könnte dein Gehirn wegen Hausfriedensbruch über diese Terrasse verspritzen, und niemand würde auch nur daran denken, mich dafür anzuklagen. Also wage es nicht, mir zu drohen, du kleiner Haufen ScheiÃe. Denn das Stadium, in dem mir alles egal war, habe ich vor etwa zehn Jahren hinter mir gelassen und mich auf scheiÃegal eingependelt. Haben wir uns verstanden?«
»Was ist mit deiner Frau? Deinem Sohn?«, fragte Finch, und seine Stimme klang aus Hysterie eine halbe Oktave höher.
»War das eine Drohung, David?« Jake hob die andere Hand und schloss sie in einem Würgegriff um Finchs Kehlkopf. »Dann bist du jetzt nämlich ein toter Mann. Was also?«
Finch schüttelte den Kopf, hustete und krallte beide Hände um den tätowierten Schraubstock an seiner Kehle. »Nein. Nein. Ich habe nicht ⦠ich ⦠ich ⦠Lass mich!«
Jake zog seine Hand zurück, und Finch taumelte gegen das Geländer. Es knackte protestierend.
»Ich glaube, du gehst jetzt besser, David. Bevor ich noch wütend werde.«
Finch machte den Mund auf, um zu protestieren, aber seine Kiefer erstarrten. Einen Augenblick lang wirkte er unschlüssig, stellte ein paar Berechnungen an, dann wandte er sich ab und ging davon.
Jake folgte ihm bis vors Haus und beobachtete, wie Finch die Tür eines groÃen, silbernen Bentley GT Continental öffnete. Er hielt inne, wandte sich zu Jake um und sagte: »Nicht, dass es jetzt noch einen Unterschied machen würde, Jakey, aber es tut mir leid. Es hat mir immer leidgetan. Alles. Die Trinkerei deines Vaters. Der Mord an deiner Mutter. Alles.«
»Lass dich nie wieder bei mir sehen, David. Soweit es mich betrifft, bist du tot.«
Finch stieg in die Limousine, schlug die Tür zu und glitt aus der Einfahrt auf den Montauk Highway. Jake sah dem Bentley nach, bis er ihn nicht mehr erkennen konnte, dann drehte er sich um und ging ins Atelier zurück.
30
Der Wind war während der letzten Stunden erheblich stärker geworden, und über dem Meer hing der Dunst niedrig dahintreibender graublauer Wolken. Der abgehackte Tanz der weiÃen Reiter wurde wilder. Ein paar Minuten lang stand Jake an das Geländer gelehnt und wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, ohne sagen zu können, was. Etwas fühlte sich seltsam an, unheimlich â und dann begriff er, dass die allgegenwärtigen Ufervögel verschwunden waren: die Regenpfeifer, Strandläufer und Möwen, die sich sonst am Strand tummelten oder sich vom steifen Meerwind hoch in die Luft tragen lieÃen. Was wissen die, das ich nicht weiÃ?, fragte sich Jake.
Er nippte an einem Kaffee, der sich wie der hundertste an diesem Tag anfühlte, und beobachtete von der Terrasse aus, wie der Lastwagen auf die Garage zufuhr und dabei piepste wie ein gigantischer Wecker. Der Beifahrer wies den Fahrer mit den lässigen Bewegungen von jemandem ein, der dem Mann am Steuer völlig vertraut. Er trug einen grauen Arbeitsoverall, und jedes Mal, wenn er den Arm hob, zeichnete sich die verräterische Beule einer Waffe unter dem Stoff ab.
Jake verlieà die verwitterten Holzplanken und ging hinüber. Der Sattelschlepper war einer der »sauberen« Lastwagen des FBI , und sein Kastenaufbau schirmte die Fahrzeuge, die als Beweismittel dienen sollten, hermetisch von Wetter und Schmutz ab. Der Fahrer war nur ein Fahrer, aber bei dem zweiten Mann, der den Lastwagen wie auf einem Flugplatz eingewiesen hatte, handelte es sich um einen Techniker, der dafür sorgen sollte, dass das Beweismaterial so wenig wie möglich kontaminiert wurde.
Der Mann im grauen Overall kam Jake am Ende der geschotterten Zufahrt entgegen. Wie in seiner Branche üblich, war er absolut geschäftsmäÃig. »Special Agent Cole?«, fragte er und streckte die Hand aus.
Jake nickte und schüttelte sie.
»Miles Rafferty.« Abgesehen von der Waffe, die sich durch seinen Overall drückte, wirkte Rafferty wie ein Handwerker, der die Garage oder das Atelier streichen sollte. »Man hat mir gesagt, dass das Beweismaterial, nach dem Sie suchen, achtundzwanzig Jahre alt ist.«
Jake nickte. »DreiunddreiÃig, genau genommen.«
Raffertys Miene blieb unbewegt. »Der Wind ist hier ein bisschen stark, deshalb würde ich den Wagen gern einpacken, bevor wir ihn aufladen.«
»Die Reifen sind platt, und ich bin nicht sicher â¦Â«
Rafferty winkte ab.
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