Bloodman
und schon war er wieder gar nicht so entspannt. »Wie sind Sie dabei gelandet?«
Jake kramte in seiner Tasche nach Zigaretten, aber dann dachte er, dass Hauser wahrscheinlich nicht wollte, dass der funkelnagelneue Geruch seines Streifenwagens von Marlbororauch kaputtgemacht wurde, und lieà es bleiben. Er legte die Hand auf den Oberschenkel. »Einfach Pech, würde ich sagen.«
Hauser schoss einen weiteren Seitenblick auf ihn ab und sagte: »Sie und Ihre rosarote Brille. Sie könnten ein bisschen Yoga oder Tai-Chi vertragen. Schon mal versucht?«
»Rauchen entspannt mich.«
Sie verfielen in Schweigen, bis Hausers Handy mit der Nationalhymne piepste. »Ja?«, sagte der Sheriff in sein Headset.
Er hörte ein paar Sekunden lang zu, dann sah er in den Rückspiegel, warf Sirene und Funkellicht an und stieg voll auf die Bremse. Er wirbelte das Lenkrad herum und trat dann aufs Gas, um das Heck des Charger mit qualmenden Reifen herumzuwerfen. Schlingernd vollführte der Wagen eine 180 -Grad-Kehre und legte kreischend Gummi auf den verwitterten Asphalt, bevor er in einer weiÃen Wolke in der Richtung davonschoss, aus der sie gekommen waren.
Hauser schnappte: »Ja. Ja. Ja. Sechs Minuten.« Und warf sein Headset wütend aufs Armaturenbrett.
Er wandte sich zu Jake. Seine Mundwinkel waren herabgezogen wie die Spitzen eines Jagdmessers. Er stieg aufs Gas, und der gewaltige Hemi-Motor riss den Wagen in die Zukunft. »Ihr Abhäuter hat gerade wieder zugeschlagen. Eine Frau in Southampton«, sagte er.
32
Es war ein hübsches Viertel aus Nachkriegshäusern mit Einzelgaragen, gepflegten Vorgärten und Gartenmöbeln auf kleinen Betonveranden. Ãberall sah man, wie Autos für die Evakuierung beladen wurden. Manche standen direkt auf dem Rasen, andere in den Einfahrten, mit weit offenen Türen und Kofferraumhauben. Haustierkäfige und die geliebten Fernsehapparate warteten darauf, verstaut zu werden. Einige Häuser waren bereits verlassen, die Läden geschlossen â manche Fenster waren mit passend zugeschnittenen Sperrholztafeln verschalt, andere provisorisch mit Abfallhölzern zugenagelt. Ein Hausbesitzer hatte die Scheiben mit einem schlampigen Gittermuster aus Panzerband überklebt. Jake beobachtete die Nervosität und Unruhe der Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, und fragte sich, seit wann das Motto Amerikas eigentlich lautete: Meinen Fernseher kriegst du nur über meine Leiche .
Schon von der Ecke aus sah Jake den Streifenwagen mit Funkellicht am StraÃenrand, während gelbes Flatterband das Grundstück wie ein gigantisches Spinnennetz aus einem Science-Fiction-Film der 1950 er Jahre umspannte. Auf dem Rasen, knapp innerhalb der Absperrung, stand ein Polizist, der einer Bande von herumwuselnden Kindern den Rücken zuwandte. Jake erkannte die gezwungene Körpersprache eines Mannes, der vergeblich so tut, als hätte er alles unter Kontrolle. Erst ein paar Meter weiter merkte er, dass der Polizist sein alter Freund Spencer war.
Hauser rollte an den StraÃenrand. Die beiden Männer stiegen aus, Hauser in seiner gestärkten Khakiuniform, Jake in Jeans und schwarzem T-Shirt. Während sie auf die Absperrung zugingen, richtete sich die Aufmerksamkeit der Kinder kurz auf Hauser, dann aber schnell auf Jake, dessen unter dem T-Shirt hervorquellende Tätowierungen sie mit groÃen Augen anstarrten. Viele von ihnen wichen einen Schritt zurück. Spencer hob das gelbe Flatterband an, um Hauser und Jake durchzulassen.
Die Wolkendecke hatte sich verdichtet, und Schatten lagen über dem Rasen. Der Farbton des Hauses veränderte sich mit den dahinjagenden Wolken, während sich Hauser, Jake und Spencer von den Kindern entfernten, die an der gelben Linie aufgereiht standen wie eine Truppe Mikro-Paparazzi.
Hauser wandte sich dem Gebäude zu und sprach zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Bitte sagen Sie mir, was hier geschehen ist.«
Spencer hatte dieselbe unheimliche Gesichtsfarbe wie in der Nacht zuvor in dem Haus am Strand. Seine fahle Haut pulsierte im blauen und roten Funkeln des Streifenwagens. Diesmal mischten sich auch Schock und eine Portion Abscheu darunter. Er holte ein paarmal tief Luft und sagte dann, den Blick auf die Stiefelspitze gerichtet, mit der er im Gras herumscharrte: »Eine Nachbarin hat uns angerufen. Sie sagt, sie hätte geklopft, und es kam ihr seltsam vor, dass niemand öffnete.
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