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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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der Post erhalten. Vielleicht hatten sie irgendwann in den letzten zwei Wochen Pizza bestellt. Oder Cheeseburger. Oder Sandwiches. Chinesisch.
    Jemand musste ihre Namen kennen.

38
    Jake war übermüdet und befand sich in einem von weißem Rauschen gefüllten Nebel der Erschöpfung. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen, und nur Schlaf konnte seine angeschlagenen Nerven regenerieren. Aber er kannte sich aus mit dieser Art von Kriegsmüdigkeit und wusste, dass das Bedürfnis nach Schlaf nicht bedeutete, ihn auch zu finden. Nach dem Abendessen war er zu einem weiteren Rundgang zum Haus von Rachael Macready gefahren. Aber im Unterschied zu anderen Polizeibeamten erledigte Jake einen Großteil seiner Arbeit im Kopf, nicht im Labor, im Streifenwagen oder am Tatort. Danach hatte er im Krankenhaus vorbeigeschaut und stand jetzt am Fußende des Betts von seinem Vater und atmete den Geruch nach Schweiß und Reinigungsmitteln ein.
    Der Raum lag im Dunkeln, die einzige Lichtquelle war ein schmaler Streifen Neonlicht, das widerwillig vom Gang hereinsickerte. Die Lampen waren auf halbe Kraft gedimmt wie in einer Flugzeugkabine bei Nacht, und Jake kämpfte gegen die Versuchung, die Deckenleuchte anzuknipsen. Er warf immer wieder Blicke über die Schulter und erwartete, das Gemälde an der blanken Wand auftauchen zu sehen. Aber kein mit Blut gemaltes, augenloses Gesicht trat aus der Dunkelheit heraus. Sein Vater war in ein anderes Zimmer verlegt worden.
    Bei seiner Ankunft hatte eine der Schwestern – Rachael Macreadys Ablösung – die Unterlagen seines Vaters herausgesucht und bedenklich mit der Zunge geschnalzt, während sie die auf ihrem verbeulten Metallklemmbrett befestigten Seiten durchblätterte. Sie reichte ihm Dr. Sobels Karte, auf deren Rückseite nachlässig hingekritzelt ein Termin für den nächsten Morgen um sieben Uhr stand. Jake hatte die Karte zusammengefaltet in die Tasche geschoben und der Versuchung widerstanden, der Schwester zu sagen, dass ihr Parfüm nach Wodka roch.
    Morgen würde Sobel die große Frage stellen: Was tun mit Dad? Im Grunde ging es ihm bloß darum, dass die Rechnung bezahlt und er einen pflegebedürftigen Patienten loswurde, damit sein Bett jemand bekam, dem der Aufenthalt im Krankenhaus etwas nutzte. Es hatte dennoch weniger mit Ökonomie als mit gesundem Menschenverstand zu tun – schließlich konnte Jacob nicht ewig im Hospital bleiben.
    Aber Jake sah nicht, was es da viel zu diskutieren gab. Er würde Sobel den Gefallen tun und Interesse heucheln. Sobel würde sagen: Wir brauchen das Bett. Wir können wirklich nichts mehr für Ihren Vater tun. Er braucht jetzt ständige Betreuung . Jake würde zuhören und ein paar Broschüren von Pflegeheimen einstecken. Er wusste nicht, wie viel Geld sein Vater zurückgelegt hatte – falls überhaupt. Wenn nötig, konnte Jake das Haus verkaufen und das Geld den neuen Kerkermeistern seines Vaters überlassen. Er wollte nichts davon haben. Er hatte vor achtundzwanzig Jahren jeden Anspruch aufgegeben, ein Coleridge zu sein. Von ihm aus hätten sie das Geld und all die düsteren kleinen Bilder in einem riesigen Atompilz aus Strandhaus und Leinwand in die Luft jagen können. Es blieb ja noch das Veteranenhospital. Jacob hatte seinem Land in Korea gedient und daher Anspruch darauf.
    Aber leider ging das nicht. Gleichgültig, was für ein Mensch Jacob Coleridge gewesen war, Jakes Mutter hätte gewollt, dass er das Richtige tat und sich um ihn kümmerte. Und deshalb stand er jetzt hier am Fußende eines Krankenhausbetts für 2700 Dollar pro Nacht und fragte sich, warum er nicht einen Funken Zuneigung für den alten Mann spürte. Er fühlte auch keinen Hass – alle echten Emotionen waren zur Asche der Gleichgültigkeit verglüht.
    Er wünschte sich, wenigstens irgendetwas zu fühlen. Zorn oder Reue oder Enttäuschung – egal was, nur nicht dieses Vakuum der Apathie, das sich nicht zu irgendeiner Art von Anteilnahme kondensieren wollte. Jake hatte ganze Arbeit dabei geleistet, seine Gefühle zu exekutieren und wegzusperren – in demselben Schrank, in dem er seine Sammlung pornographischer Hologramme der Toten aufbewahrte. Deren Anzahl ging inzwischen in die Zehntausende und umfasste jede arme, verstümmelte Seele, die er je gesehen hatte. Ein kleiner, kranker Fetisch, den er

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