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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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mal hin und fragen Sie die Ärzte der geriatrischen oder der Intensivstationen, nach welchen Kriterien sie eine Herz-Lungen-
    Maschine abstellen oder befinden, daß einige Patienten für gewisse komplizierte Operationen nicht in Frage kommen! Besser noch, fragen Sie, warum ausländische Patienten, die riesige Summen für Lebertransplantationen bezahlen können, englischen Patienten vorgezogen werden, die ein Leben lang ihre Steuern in das staatliche Gesundheitssystem NHS einbezahlt haben. Sie werden Ihnen den Grund nennen, die Ärzte. Denn das Finanzministerium verwendet sämtliche NHS- Zahlungen für andere Dinge wie Straßen und Beamtengehälter. Das Geld fließt in den allgemeinen Etat, und nur ein Teil dient der Pflege britischer Patienten. Und daher lassen Chirurgen reiche Ausländer bezahlen, um die Gelder aufzubringen, die sie für unsere Operationen brauchen.«
    Eine Weile gingen sie wortlos weiter, und die Überlegungen des Dekans wurden noch trübsinniger. Die Argumente des alten Mannes hatten seine Überzeugung verstärkt, man müsse wegen Skullion etwas unternehmen. Der Dekan kam zu dem Schluß, wenn der Praelector die grauenhaften Realitäten des Lebens ertrug, ohne sich und anderen etwas vorzumachen, dann müßte auch er sich dieser Herausforderung stellen und aussprechen, was ihn bedrückte. Und falls es um die College-Finanzen wirklich so schlimm bestellt war – was er zum erstenmal nicht bezweifelte –, dann würde die Suche nach einem neuen Rektor sogar noch dringlicher. »Ob Sie mich wohl hinunter zum Fluß begleiten würden?« sagte er, als sie am letzten Tor angelangt waren. »Da ist man ungestörter, und was ich zu sagen habe, muß unbedingt unter uns bleiben.«
    Sie bogen vom Weg ab und begaben sich hinunter ans Flußufer. Dort standen sie am Wasser und betrachteten die Pflanzen, die von der Strömung bewegt wurden, und der Dekan erzählte die Geschichte von Skullions Geständnis sowie dessen Drohung, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Praelector betrachtete eine Zeitlang die Wasserpflanzen, bevor er das Wort ergriff.
    »Das paßt«, sagte er schließlich, »das paßt zu den Tatsachen. So ganz überrascht mich das nicht. In uns allen schlummert eine gewalttätige Ader, und Godber Evans hatte Skullion rausgeworfen, in dem mehr Gewalttätigkeit schlummerte als in den meisten anderen Menschen. Immer noch schlummert, so wie sich's anhört. Sie sagen, er hat Sie bedroht?« Der Dekan nickte. »Skullion war betrunken. Er sagte, er habe uns bei den Klöten, bei den Eiern, den verdammten Eiern, hat er gesagt, und als ich ihn fragte, was er damit meinte, antwortete er, er wisse, daß Lady Mary diesen Dr. Osbert geschickt habe, um herauszufinden, wer der Mörder ihres Mannes sei. Gott weiß, wie er solche Sachen erfährt.«
    »Indem er sich an die Autorität seines alten Postens klammert«, sagte der Praelector. »In seinen Augen ist er immer noch der Chefpförtner. Und das wissen auch sämtliche Bediensteten. Sie berichten ihm alles, was ihnen zu Ohren kommt. Der Koch, die Kellner, die Studentendiener und Aufwartefrauen, die unsere Zimmer aufräumen. Ihnen entgeht kaum etwas, und was sie Skullion nicht erzählen, leitet er selbst ab. Wie hat er sich noch gleich über Dr. Osbert geäußert? Erinnern Sie sich an den genauen Wortlaut?« Der Dekan kramte in seiner Erinnerung nach dieser schrecklichen Nacht. »Er hat eine Frage gestellt«, sagte er. »Das weiß ich noch. Etwa folgende: ›Wer hat sechs Millionen Pfund aufgebracht, um uns den neuen Sir-Godber-Evans-Gedächtnis- Fellow zu schicken?‹ Das hat er gefragt, und als ich antwortete, ich wisse es nicht, fuhr er fort: ›Diese verfluchte Lady Mary war’s, weil sie wissen wollte, wer ihren Mann ermordet hat, und dieser Fellow soll hier herumschnüffeln.‹ Ja, so hat er es formuliert. Wortwörtlich. ›Hier herumschnüffeln.‹« »Und weiter?«
    »Weiter sagte er, das könne er Dr. Osbert verraten«, fuhr der Dekan fort. »›Weil ich es war. Und wenn ihr mich im Porterhouse Park wegschließen wollt, werd ich’s ihm sagen. Ich habe den Mistkerl umgebracht, ob es Ihnen nun paßt oder nicht.‹«
    Der Praelector seufzte lang und ausgiebig. »Er sagte, ihn wegschließen, stimmt’s? Skullion hat wirklich ein gutes Gedächtnis, das muß man ihm lassen. Darüber habe ich früher mal einen Scherz gemacht.«
    »Und das wußte er noch«, sagte der Dekan. »Er behauptete, Sie hätten es ›wegparken‹ genannt.«
    »Und das ist die Wahrheit«,

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