Bloody Mary.
ist?«
»Natürlich nicht«, antwortete Purefoy. »Wenn ich es wüßte, wäre ich ja wohl nicht hier.« Wieder hatte er das deutliche Gefühl, daß das, was hier vorging, keinen Sinn ergab. Erneut hatte sich der Akzent der Frau verändert. Sie klang jetzt eindeutig englisch.
»Aber ihre Leiche könnten Sie identifizieren?« »Leiche?« wiederholte ein zutiefst beunruhigter Purefoy. Im Verlauf weniger Minuten hatte er die Überzeugung gewinnen müssen, er sei zur falschen Adresse gekommen, er habe eine völlig Fremde kennengelernt, die ihn offenbar erwartet hatte und von einem ganz normalen Englisch in merkwürdig gutturale Laute verfallen war, um nun wieder auf Englisch eine Frage zu stellen, aus der man schließen mußte, daß Mrs. Ndhlovo tot und wenn schon nicht völlig verschwunden, so doch derartig verunstaltet war, daß es eines alten Bekannten bedurfte, sie zu identifizieren. »Leiche? Sie wollen doch nicht ...« »Wie oft hatten Sie Intimkontakt mit der Frau? Sie waren ihr Liebhaber, jawoll?«
»Großer Gott«, sagte Purefoy und mußte sich am Türrahmen festhalten. Ihm schwindelte, wie diese gräßliche Person die Akzente wechselte – ganz zu schweigen von den frechen Unterstellungen bei ihren Fragen. Und jetzt hatte sie ihn am Arm gepackt und zerrte ihn in das Zimmer. Purefoy Osbert krallte sich am Türrahmen fest. »Hören Sie«, krächzte er, »ich weiß überhaupt nicht, was Sie da reden. Ich habe nicht den geringsten Hinweis ...«
»Aha, genau darauf habe ich gewartet. Hinweis«, sagte die Frau. »In solchen Fällen sind wir auf diese kleinen Fehler angewiesen, Dr. Osbert. Sie sagten ›Hinweis‹.« Purefoy Osberts Hand ließ den Türrahmen los, weil die Frau an ihm zerrte, aber vor allem, weil sie ihn soeben Dr. Osbert genannt und sein Entsetzen noch geschürt hatte, als sie von solchen Fällen und Hinweisen sprach. Er taumelte in das Zimmer und lehnte sich an die Wand. Die Frau schloß die Tür ab, steckte den Schlüssel ein und huschte dann, mit einer ausgesprochen unheimlich zu nennenden Bewegung, während der sie ihn keinen Moment aus den Augen ließ, quer durchs Zimmer zur Schlafzimmertür, die sie ebenfalls schloß. »Setzen Sie sich«, sagte sie. Purefoy blieb stehen, bemüht, einen klaren Gedanken zu fassen. Das fiel ihm keineswegs leicht. Genauer gesagt, es gelang ihm gar nicht. »Habe ich nicht ...«, versuchte er zu sagen, merkte jedoch, daß seine Stimme versagte. Sie klang hoch und piepsig. Er versuchte es erneut: »Woher kennen Sie meinen Namen? Und was geht hier vor? Und warum liegen Mrs. Ndhlovos Kleidungsstücke überall verstreut?«
»Ich sagte: Setzen Sie sich«, wiederholte die Frau. Sie zog einen Stuhl von Mrs. Ndhlovos Schreibtisch heran, drehte ihn so, daß seine Rückenlehne auf Purefoy gerichtet war, und nahm dann breitbeinig darauf Platz, wobei sie ein gutes Stück Bein zeigte. Purefoy Osbert schlich sich von der Wand weg und setzte sich auf die Armlehne des Sofas. »Gut. Also, Dr. Osbert, ich will, daß Sie ganz von vorne anfangen und mir in Ihren Worten erzählen, wie Sie Mrs. Ndhlovo kennengelernt haben.«
Von der Sofalehne aus sah Purefoy sie an und dachte krampfhaft nach. Für ihn stand fest, daß er sich entweder in Gegenwart einer Polizistin in Zivil oder, da sie offenbar allein war und mehrere hauptsächlich ausländische Akzente beherrschte, der Mitarbeiterin eines Geheimdienstes befand. So oder so, sie jagte ihm eine Heidenangst ein. »Woher kennen Sie meinen Namen?« fragte er bei dem Versuch, sich zu orientieren. »Sie werden meine Fragen beantworten«, erwiderte sie. »Ich bin nicht hier, um Ihre zu beantworten. Wenn Sie nicht kooperativ sind, muß ich meine Mitarbeiter rufen.« Sie warf einen vielsagenden Blick in Richtung Schlafzimmertür. Purefoy schüttelte den Kopf. Auch ohne jede Unterstützung war diese Frau übel genug. Unglücklich sah er sich in dem Zimmer um, betrachtete die vielen vertrauten afrikanischen Nippsachen und Kinkerlitzchen, die Mrs. Ndhlovo überall verstreut hatte, doch sie spendeten ihm ebensowenig Trost wie ihre Kleidungsstücke und der leere Koffer. »Ich habe sie halt an der Universität kennengelernt«, sagte er. »Im Aufenthaltsraum oder in der Mensa. Irgendwas in der Art.« Die Frau streckte die Hand nach einem Notizbuch aus und öffnete es. »Wir haben Grund zu der Annahme, daß dies nicht der Wahrheit entspricht«, sagte sie. »Sie haben ihren Abendkurs über Unfruchtbarkeit des Mannes und Masturbationstechniken im Raum
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