Bloody Mary.
gesellschaftliche Krankheit auszurotten, die es selbst erst verursacht. Indem wir das definieren, was ungesetzlich ist, sorgen wir dafür, daß das Gesetz gebrochen wird.« Natürlich stieß dieses Konzept bei seinen Studenten auf Gegenliebe und hatte den Vorteil, daß es die intelligenteren zwang, heftige Diskussionen untereinander auszutragen und sich gelegentlich sogar eine eigene Meinung zu bilden. In Kloone war das eine bemerkenswerte Leistung, die Dr. Osberts ohnehin bereits beachtlichem Ruf förderlich war. Doch die meiste Zeit verbrachte er in Bibliotheken oder im Staatsarchiv, wo er auf der Suche nach brauchbaren Informationen einen Karton mit Dokumenten nach dem anderen durchforstete.
Doch nicht nur sein Vater und seine Mutter hatten ihn beeinflußt, sondern auch seine Cousine Vera. Von Kindesbeinen an hatte er immer getan, was sie wollte. Sie war fünf Jahre älter als er und hatte ihm – als ebenso entgegenkommende wie in der Wahl ihrer Liebhaber nicht zimperliche junge Dame nur allzugern Gelegenheit gegeben, sich über ihr Geschlecht Gewißheit zu verschaffen. Von diesem Augenblick pubertärer Offenbarung an war Purefoy von ihr hin- und hergerissen. Viele Stunden hatte er über sie nachgedacht und war sich sicher gewesen, in sie verliebt zu sein. Doch sie war ihren eigenen Weg gegangen, und Purefoy hatte sich auf die Suche nach anderen, weniger ungewissen Größen gemacht. Erst als er viel später Mrs. Ndhlovo kennenlernte, wußte er genau, daß er wirklich verliebt war.
In der irrigen Annahme, den Vortrag einer führenden Expertin über Gefängnisreform in Sierra Leone zu hören, saß er eines Abends in der ersten Reihe eines Abendseminars, das Mrs. Ndhlovo über Unfruchtbarkeit des Mannes und Masturbationstechniken hielt. Der Kurs war gut besucht, und obwohl Purefoy schon ein wenig von Vera aufgeklärt worden war, erfuhr er von Mrs. Ndhlovo sehr viel mehr. Besonders erhellend waren ihre Ausführungen zu Themen wie dem Coitus interruptus und wie man eine Ejaculatio praecox vermied. Und vor allem war sie wunderschön. Aber nicht allein ihre körperliche Schönheit zog ihn an: Sie hatte einen schönen Verstand. In einem merkwürdig deplazierten Pidgin-Englisch erzählte sie detailliert und mit einer so ruhigen Selbstsicherheit über Klitorisstimulation und Fellatio, daß ihm vor Bewunderung beinahe der Atem stockte. Und vor Begierde. Während dieser ersten Stunde hatte er seine wahre Liebe gefunden, und als er in der folgenden Woche immer auf demselben Platz saß und verzückt auf ihre prachtvollen Lippen starrte, während sie etliche ausgesprochen grausige Dias über die Auswirkung der Klitorisbeschneidung auf erwachsene Frauen in Ostafrika zeigte,
stand für ihn fest, daß er verliebt war. Nach der Vorlesung stellte er sich vor, und so begann ihre Beziehung. Unglücklicherweise für Purefoy mochte ihn Mrs. Ndhlovo zwar, erwiderte seine Gefühle aber nicht. Ihre erste Ehe in Kampala war nicht unbedingt ideal verlaufen. Die Entdeckung, daß Mr. Ndhlovo schon drei Ehefrauen hatte und daß der Vorschlag, wieder zu heiraten, von seiner ersten Frau stammte, hatte den Flitterwochen nicht unbedingt gutgetan. Dennoch hatte sie ihn auf ihre Art geliebt und es ehrlich bedauert, als er verschwand und es gerüchteweise hieß, er sei in General Idi Amins Kühltruhe gelandet. Daß letztere leer war, als der gestürzte General nach Saudi-Arabien floh, hatte ihre Befürchtungen keineswegs gedämpft. Inzwischen hatte sie Uganda verlassen und war nach Großbritannien gekommen, um sich eine neue Karriere im Bildungswesen aufzubauen. Innerhalb weniger Monate hatte sie sich in Kloone einen gewissen Ruf erworben, weil sie auf Partys in aller Offenheit verkündete, ihr Johnny sei so gut wie sicher »bei diesem schwarzen Drecksack Idi Amin abends als Snack gereicht worden«. Solche freimütigen Äußerungen zu Themen, die mit den Beziehungen zwischen Rassen zusammenhingen, hatte es an der Universität zuvor noch nie gegeben, doch niemand konnte Mrs. Ndhlovo einen Vorwurf machen. Natürlich war sie absolut berechtigt, so über den Mann zu reden, der ihren Gatten ermordet und verspeist hatte. Sie war in Uganda gewesen und hatte Entsetzliches durchgemacht. Daß sie sehr attraktiv war und so gut über sexuelle Praktiken in Afrika und anscheinend auch sonst überall auf der Welt Bescheid wußte, trug ebenfalls zu ihrer Beliebtheit bei. Außerdem war sie ein sehr praktischer Mensch.
»Schön und gut, du sagst, du mich liebst«,
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