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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Dekan und Anthony Lapschott ihr spätes Dinner und nahmen den Kaffee in einem langen Zimmer mit Blick über die Lyme-Bucht ein. Die Landzunge von Portland wäre für den Dekan kein Ort gewesen, an dem er sich zur Ruhe gesetzt hätte. Für seinen Geschmack war es dort zu düster und schmuddelig, die Straßen zu leer und steil, und als er früher am Tag den Hügel hinauf am Gefängnis vorbeigefahren war, hatte der landeinwärts wehende Wind Böen der Stärke neun erreicht. Im Laufe des Abends hatte er noch weiter aufgefrischt und heulend am Haus und an den wenigen Büschen im Garten gerüttelt, doch in dem langen holzgetäfelten Zimmer schien der Sturm seltsam unwirklich. Alles dort – es war ebenso Arbeitszimmer und Bibliothek wie Salon – wirkte luxuriös, beinahe zu luxuriös mit den dicken Perserteppichen, den ausladenden Sesseln, dem massiven Schreibtisch mit Lederauflage und einer Couch, auf der Lapschott gern stundenlang lag und las, während jenseits der Fenster der unablässig wehende Wind gegen die Küste peitschte, ohne daß seine Bequemlichkeit darunter litt. Und genau dieser Kontrast zwischen der grauen, grimmigen Welt draußen und der, die sich Lapschott in dem Haus geschaffen hatte, irritierte den Dekan. Außerdem hatte er für moderne Kunst überhaupt nichts übrig, und am wenigsten gefielen ihm Bacon und Lucian Freud. Seiner Ansicht nach hatte Lapschott einen zu blasierten Geschmack, und offenbar hatte sein Gastgeber von dieser Ablehnung etwas bemerkt. Während des von zwei Filipinas und einem Diener aufgetragenen Abendessens hatte Lapschott erklärt, warum er hier und nicht anderswo lebte, und den Dekan hatten seine Gründe ebenso irritiert wie das Haus an sich.
    »Ich finde es amüsant, das Ende der Welt zu betrachten«,
    sagte Lapschott. »Oder vielleicht sollte ich sagen: die Enden der Welt.« Der Dekan hätte gut und gern auf beides verzichtet. Doch das innen noch rosige Lamm war erstaunlich gut und der Rotwein ausgezeichnet.
    »Und in mancherlei Hinsicht gestattet mir die Landzunge von Portland eine melancholische Perspektive. Geographisch gesehen endet England hier. Land’s End liegt in Cornwall, und die Einwohner Cornwalls sind Kelten, und außerdem ist Land’s End heutzutage sehr kommerzialisiert. Aber hier gibt es nichts als Felsen und den Leuchtturm und jenseits davon das Fastnet Race und das offene Meer. Und im Westen liegt Dead Man’s Bay, des Toten Mannes Bucht. So hat Hardy sie genannt. Ein zu nahe an der Küste segelndes Schiff würde der vom Ärmelkanal her blasende Wind erwischen. Es könnte die Landzunge nicht umrunden und würde auf die Sandbank Chesil Bank getrieben werden. Da draußen sind Hunderte von Männern ums Leben gekommen, Herr Dekan. Und hinter uns: noch mehr Tote. Zwei öde Gefängnisse und die dazugehörigen Steinbrüche, aus denen das Baumaterial für das Gibbs Building im King’s College sowie die St.-Paul’s-Kathedrale stammt. Die Strafgefangenen bauten die Wellenbrecher um den Hafen von Portland, sie leerten im neunzehnten Jahrhundert die Steinbrüche, um die weltgrößte Flotte zu schützen. Auch für sie war Portland das Ende der Welt. Wenn ich auf den Hafen hinabschaue, bereitet mir seine Leere eine seltsame Befriedigung. Die paar Schiffe, die es noch gibt, haben in einer winzigen Hafennische Platz. Diese Welt gibt es heute nicht mehr, auch wenn ich soeben die überaus interessante Biographie Fishers gelesen habe, von Jan Morris. Fisher war auf seine Art ein Verrückter, der das berühmte Kriegsschiff Dreadnought gebaut und ein Marinewettrüsten mit dem kaiserlichen Deutschland begonnen hat, ein ebenso törichtes wie romantisches Duell, das in einem Patt vor Jutland endete. Die Briten verloren weit mehr Schiffe und Besatzung, und die deutsche Marine wagte sich nicht mehr aufs Meer hinaus, bis sie nach Scapa Flow fuhr und dort versenkt wurde. Welch ein sinnloser Krieg, bestritten von Männern, die wir für zivilisiert hielten.« »Die Deutschen haben angefangen«, entgegnete der Dekan. »Sie sind in Belgien einmarschiert, dem wir vertraglich verpflichtet waren.«
    »Schon, aber wie sagen die Holländer: ›Belgien gibt es nicht.‹ Es wurde erst 1831 geschaffen«, pflichtete Lapschott recht abschätzig bei. »Außerdem fängt immer der Feind einen Krieg an. Man kann nicht Millionen Menschen opfern, ohne einen guten Grund vorzuschützen. Irgendwo habe ich eine Aufnahme von der Botschaft des Kaisers an das deutsche Volk, in der er 1914 ähnliches vortrug. Er

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