Bloody Mary.
Schatzmeister. »Was machte ihm Kummer?« Beim Gedanken daran lächelte Kudzuvine leise. »Der Typ hat sich auf dem Teppich eingepißt, und E. H. sagt, bringt das ganze Teil raus, ihm ist bloß wichtig, daß das Zimmer nicht nach Pisse stinkt. Geht raus und ißt zu Mittag. Als er wiederkommt, liegt da ein neuer Teppich, aber weil ihm die verfluchte Farbe nicht gefällt, muß der auch wieder raus. Glauben Sie vielleicht, das war’s? Ändert seine Meinung noch mal. Jetzt muß es ein Marmorfußboden sein. Damit man’s wegwischen kann, wenn einer draufpißt. Bleiben keine Flecken. Und so isser, der gute alte E. H. Entzückender Typ. Stimmt’s?« Dieses Wort hätte der Schatzmeister schwerlich gewählt. Er spähte nervös zur Tür, doch da fiel ihm ein, daß draußen der Obertutor stand, und außerdem war Kudzuvine augenscheinlich die Liebenswürdigkeit in Person und ihm immer noch sehr zugetan. Der Schatzmeister legte auf seine Zuneigung zwar keinen Wert, aber er hatte sie nun mal. »Was ist dann mit dem Verstorbenen geschehen?« erkundigte er sich. »Gar nichts. E. H. hat die freien Mitarbeiter aus Chicago abbestellt und ihn echt hübsch einäschern lassen. Eines natürlichen Todes und alles, also kein Grund zur Sorge.« »Vermutlich nicht«, stimmte der Schatzmeister zu. »Aber wenn ihm seine Mitarbeiter gleichgültig sind, warum tragen dann alle die gleiche Kleidung wie er? Wollen Sie wie er aussehen? Ist das der Grund?«
Wieder erschien ein seltsames Lächeln auf Kudzuvines Gesicht. »Prof Schatzmeister, das haben Sie nun aber nicht geschnallt«, sagte er, und diesmal war unübersehbar, daß er den Schatzmeister mochte. »Scheiße, wer will schon wie der olle E. H. aussehen? Der Typ ist häßlich wie’n Kackschwein. Fehlt bloß noch, daß er andauernd grunzt. Und nur um Schweine geht’s.« Er brach ab, damit der Schatzmeister diese neue Information verarbeiten konnte.
Der war hoffnungslos überfordert. »Schweine?« wiederholte er. »Wieso kommen jetzt Schweine ins Spiel?« Diesmal lachte Kudzuvine. Er fühlte sich wirklich viel besser. »Wieder falsch, Prof Baby. Schweine kommen überhaupt nicht ins Spiel. Was ihm nicht paßt, ist das, was in Schweine reinkommt. Hat sozusagen ’ne Schweinephobie. Andere Leute in seiner Lage kriegen ’ne Phobie gegen Brücken oder neue Autobahnen. Kannte mal einen, der war echt schlecht auf Krokodile zu sprechen, weil die so ziemlich alles und jedes fressen. Sag ich zu ihm: ›Harry, warum macht dir das so ’ne Schweineangst? Du wohnst in Atlanta, Georgia, nicht oben am verdammten Nil, Afrika.‹ Hat nix geholfen. Eines Tages sind sie mit dem armen Sack Haie fischen gefahren, er war der Köder. Haben auch ’n paar echt gigantische Monster mit ihm gefangen. Hat Stunden gedauert, bis sie diese Babys reingeholt hatten.« Wieder legte er eine Pause ein, als er an diese enorme Leistung dachte. »Beim ollen E. H. sind’s also Schweine. Er will nicht in ihren Freßtrögen enden, wie die Frau von irgend so ’m Typ, über den er was in der Zeitung gelesen hat. Zu mir hat er mal gesagt, als wir irgendwohin geflogen sind, er ißt nichts Chinesisches, und wenn er verhungern müßte, und darauf sage ich: ›Das ist echt nett von Ihnen, Mr. Hartang. Liegt es daran, daß die Hunde und kleine Welpen und so was essen?‹, und wissen Sie, was er geantwortet hat? Er sagt: ›Karl K.‹ – so nennt er mich immer, wenn er gut drauf ist –, ›Karl K., Sie sind dermaßen blöde und wissen es nicht mal. Denken Sie doch bloß mal an süßsauer.‹ Ich denk also darüber nach, und da krieg ich ’ne Erleuchtung. ›Oh, Schweinefleisch, Sie meinen Schweinefleisch.‹ Mann, da is sein Gesicht so komisch angelaufen, und ich war froh, daß das Scheißflugzeug ’ne Überdruckkabine hatte, sonst wär ich auf der Stelle über Bord gegangen. Aber als wir irgendwo in Miami gelandet sind, hatte ich ihn wieder ziemlich beruhigt. Hab gelernt, Schweine oder Schweinefleisch nicht mehr zu erwähnen. Speck ist auch verboten. Sogar Spanferkel is von der Speisekarte gestrichen. Wir hatten mal geschäftlich mit ’nem Heini zu tun, der Frischling hieß, und E. H. hat den Deal abgeblasen, weil ihm einer erzählte, ein Frischling wär ein kleines Schwein. Und beim Fluchen und Schimpfen muß man auch vorsichtig sein. Ich sehe mich bei E. H. mit meinen Ausdrücken vor, damit mir nicht manchmal ›Schweinerei‹ oder ›Sauerei‹ rausrutscht. Jawoll Sir, Prof Schatzmeister, er und alles Schweinische passen nicht
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