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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Buscott die zusätzliche Vorsichtsmaßnahme ergriffen, die Aufnahme mit seiner und des Kaplans beschworener Aussage zu beenden, das soeben Gehörte sei eine wahre und authentische Aufzeichnung des an jenem Datum und zu jener Uhrzeit Gesagten.

15
    Purefoy Osbert beobachtete das ständige Kommen und Gehen im Rektorenhaus. Er hatte keine Ahnung, was dort drüben vor sich ging, doch von seinem Zimmerfenster aus konnte er sehen, wie der Obertutor, der Praelector und der Kaplan auf ihre charakteristische Art und Weise den Rasen überquerten und am Rektorenlabyrinth vorbeigingen. Jetzt, da er sich besser fühlte, machte der Obertutor große Schritte, der Praelector stakste langsam und nachdenklich, den Kopf gesenkt wie ein langbeiniger Wasservogel, vielleicht ein nach Fischen Ausschau haltender Reiher. Der Kaplan trabte, und den Schatzmeister mußte man stützen. Doch die seltsamste Gestalt, die aus dem Haus auftauchte, war der Rektor persönlich, der sich gewöhnlich in der Abenddämmerung, doch gelegentlich, wenn er nicht neben Kudzuvines Bett sitzen mußte, auch morgens oder nachmittags – in die Nähe des hinteren Tores setzte. Wie zu seiner Zeit als Chefpförtner wartete er, daß die jungen Gentlemen, wie er die Studenten immer noch nannte, zur Schließungszeit über die Mauer kletterten. Nicht, daß es die »Schließungszeit« im klassischen Sinne noch gab. Wenn die Collegetore nicht gegen Eindringlinge verriegelt wurden, blieben sie rund um die Uhr unverschlossen. Doch in Porterhouse hielt sich hartnäckig die Tradition, daß der Nachtpförtner jeden Studenten, der nach Mitternacht eintraf, in eine Liste eintrug, und diese Liste bekam der Dekan, der notorische Zuspätkommer vorlud und ihnen mit Geldbußen oder sogar zeitweiliger Verweisung von der Universität drohte, wenn sie sich nicht besserten. Dabei hatte der Dekan eigentlich nichts dagegen. Wie er es oft genug Übeltätern gegenüber formulierte: »Es gibt im Leben immer eine richtige und eine falsche Methode. Und nach Mitternacht heißt die richtige: über die hintere Mauer neben dem Rektorenhaus.« Daß die hintere Mauer mit einer Doppelreihe Dornen gespickt war, um zu verhindern, daß Studenten darüberkletterten, sorgte für jene Art von Herausforderung, die der Dekan billigte. »Außerdem hat der Rektor auf diese Weise etwas Interessantes zu sehen und etwas, worauf er seine Aufmerksamkeit richten kann«, hatte er auf einer Sitzung des Collegerates erklärt, als einer der jüngeren Dons vorgeschlagen hatte, die Dornen zu entfernen, da sie ein gefährliches Relikt aus der Vergangenheit darstellten. Der Vorschlag war abgelehnt worden, und die Dornen auf der Oberkante der Mauer und der großen hölzernen Tore blieben. Genau wie Skullion darunter, der in seinem Rollstuhl dort saß oder gelegentlich bis zu der Stelle humpelte, wo er so viele Jahre lang gestanden hatte, nämlich an den Stamm einer alten Birke gelehnt, auf den Lippen die Worte: »Das erfährt morgen früh der Dekan, Sir.« Weil Vollmond war, sah Purefoy Osbert den dunklen Umriß sogar noch um ein Uhr morgens, als er sein Licht ausknipste, und es war ihm unheimlich. Er konnte nicht einmal ansatzweise ergründen, was im Kopf des ehemaligen Chefpförtners vorging und woher die schiere Ausdauer dieses Mannes kam. Aber schließlich war ihm Porterhouse insgesamt ein Rätsel. Was nicht allein daran lag, daß es anders war als alle anderen Colleges in Cambridge. Ein Grund war wohl, daß Porterhouse sich augenscheinlich weigerte zu akzeptieren, daß es seit ... nun, seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg irgendwelche Veränderungen gegeben hatte, und es weigerte sich auch, die erstaunlichen naturwissenschaftlichen und medizinischen Leistungen anzuerkennen, die Jahr für Jahr von Leuten in Pembroke und Christ’s, in Queen’s und Sidney Sussex, ja, genaugenommen in jedem College Cambridges erbracht wurden. Außer in Porterhouse. In Porterhouse lag die Betonung immer auf den Künsten sowie, falls man dem Kriegerdenkmal Glauben schenkte, auf den Kriegskünsten. An der Somme, bei Loos und wieder im Zweiten Weltkrieg waren Hunderte von Porterhouse-
    Männern gehorsam in den Tod marschiert. Und wohin Purefoy Osbert bei seiner Erkundung des Colleges auch kam, er traf auf große muskulöse Studenten, die ihn höflich begrüßten oder im Falle jener, die noch nicht gehört hatten, daß er der neue Sir- Godber-Evans-Gedächtnis-Fellow war – so behandelten, als wäre er einer der College-Bediensteten. »Ey, du

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