Blow Out (German Edition)
hier vor?«, fragte Chevallier leise.
»Keine Ahnung.«
»Sollen wir rübergehen?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Leuthard kniff die Augen zusammen und bemühte sich, in den rapide schlechter werdenden Lichtverhältnissen Genaueres zu erkennen. Selbst die Scheinwerfer und Flutlichter schienen inzwischen vom Sturm eingeschüchtert. Ihre Lichtkegel wirkten matt und verloren sich auf halber Strecke in der Dunkelheit.
Unvermittelt holte der Anführer aus und verpasste Rochas einen fulminanten Magenschwinger. Der Spanier klappte zusammen, wurde von den beiden anderen Marines hochgehoben, bekam den nächsten Hieb verpasst und ging in die Knie. Der Anführer griff in Rochas’ Haare und riss dessen Kopf nach hinten. Mit einem kurzen, aber harten Faustschlag mitten ins Gesicht brach er ihm die Nase. Blut schoss über Rochas’ Mund und Kinn. Breitbeinig und mit verschränkten Armen standen die Kameraden des Anführers daneben, während dieser weiter auf den Wissenschaftler eindrosch.
»Verdammt!«, stieß Chevallier hervor, »wir müssen ihm helfen.«
»Wir beide gegen drei Marines?«
»Roman, die prügeln gerade unseren Freund tot!«
»Die haben Waffen.«
»Sie werden uns schon nicht erschießen.«
Leuthard erwiderte nichts. Nach allem, was er in den letzten Tagen von River Maddox erfahren hatte, war er sich da nicht so sicher.
Unvermittelt ließen die Männer von Rochas ab, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Der Anführer schickte seine Kameraden fort und sah ihnen nach, bis sie hinter einer Ecke verschwanden. Dann packte er Rochas am Overall, zerrte ihn hoch und schmetterte ihn mit dem Gesicht voraus mehrmals mit voller Wucht gegen eine Turbine.
» Mon dieu «, flüsterte Chevallier.
Leuthard schnappte nach Luft. Gleich aus mehreren klaffenden Platzwunden an Rochas’ Kopf und Nase strömte Blut. Schnell war dessen gesamte rechte Gesichtshälfte blutverschmiert, das Auge zugeschwollen. Der Anblick war grauenhaft. Leuthard wurde bewusst, dass er sich näher am Geschehen befand, als ihm lieb war.
Der Marine schob das Visier seines Helms nach oben und betrachtete Rochas. Leuthard kannte den Mann vom Sehen – einer von Brooks’ Lakaien, die seit Wochen hinter den Wissenschaftlern herspionierten.
Mit einem tosenden Geräusch öffnete der Himmel sämtliche Schleusen. Sintflutartiger, vom Sturm gepeitschter Regen klatschte in Leuthards Gesicht. Der Hurrikan gewann an Intensität. Innerhalb von Sekunden triefte Leuthards Overall vor Nässe. Eine besonders heftige Sturmböe fegte über die Plattform und zerrte an der Stahlkonstruktion der Independence. Hin und her schwingende Stahltrossen flogen durch die Luft. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, musste sich sogar der athletische Marine mit einer Hand an der Turbine festhalten. Er vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachtete, drehte Rochas auf den Bauch, hob den Kopf des wehrlosen Mannes an und hämmerte ihn mit dem Gesicht gegen die Kante des Turbinensockels. Wieder spritzte Blut nach allen Seiten. Einen Moment lang zuckte der Spanier noch unkontrolliert, dann war es vorbei. Sein Gesicht war nur noch eine Mischung aus Blut, Knochen und Hirnmasse. Das linke Auge war herausgerissen und hing aufgespießt auf einer Schraube an der Kante des Sockels. Der prasselnde Regen vermischte sich mit dem Blut des Wissenschaftlers und schwemmte es fort.
Leuthard war wie erstarrt und konnte den Blick nicht von dem klaffenden Loch abwenden, in dem sich soeben noch Rochas’ Augapfel befunden hatte. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, achtete er nicht auf Chevallier, der plötzlich aufsprang. » Assassin !«, brüllte er und rannte mit erhobenen Fäusten auf Rochas’ Mörder zu.
Leuthard war fassungslos. Was dachte sich dieser durchgeknallte Franzose dabei? Wollte er etwa einen Elitesoldaten niederschlagen?
Im selben Moment, in dem sich der Marine umdrehte und den korpulenten Wissenschaftler auf sich zurennen sah, wusste Leuthard, dass Chevallier so gut wie tot war.
Es kam nicht einmal ansatzweise zu einem Kampf.
Zwei Meter bevor Chevallier den Marine erreichte, rutschte er auf den nassen Bodenplatten aus und schlitterte ihm direkt gegen die Schienbeine. Ohne viel Aufhebens hieb ihm der Elitekämpfer die Handkante gegen die Halsschlagader. Chevallier sackte auf der Stelle in sich zusammen. Der Marine griff hinter sich und hielt plötzlich einen schweren Gegenstand in den Händen. Starr vor Angst, folgte Leuthards Blick der
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