Blow Out (German Edition)
ihr auf. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in den letzten Monaten derart verärgert gewesen zu sein.
Dieser verdammte Leland!
Mit forschen Schritten überquerte sie den Pariser Platz, auf dem sich in wenigen Stunden wie üblich Horden von Touristen tummeln würden. Tag für Tag fielen sie über den Platz her wie die Heuschrecken, nur um ihn dann nachts müllübersät den Stadtreinigungsrobotern zu überlassen. Lustlos steuerte sie das markante Gebäude mit dem wellenförmigen Vordach über dem Haupteingang an – die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Über dem Vordach hing das Sternenbanner schlaff am Flaggenstock herab. Prüfend zupfte sie ihren dunkelblauen Hosenanzug zurecht, der wie immer perfekt saß. Ihre rabenschwarze Kurzhaarfrisur mit den lila Strähnen stellte die einzige kleine Extravaganz ihres businessmäßigen Erscheinungsbildes dar.
Ein fetter Kerl auf einem Segway-Roller raste nur Zentimeter an ihr vorbei.
»Pass doch auf, du Idiot!«, rief sie ihm hinterher.
Als sie die Botschaft betrat, ließ Emma zum wiederholten Male die gestrigen Ereignisse Revue passieren. Irgendeinen Fehler musste sie begangen haben, anders war Botschafter Franklins sonderbares Verhalten nicht zu erklären. Außer, der alte Mann verspürte mit einem Mal den abwegigen Wunsch, sie zu demütigen. Nun, diesbezüglich wäre er nicht der erste Mann in Emmas Leben.
Sie kickte eine leere Getränkedose gegen eine Parkbank und passierte die 25 Meter breite Sicherheitszone der Botschaft mit den im Boden versenkten Panzersperren. Vor dem mit Überwachungskameras gespickten Wachhaus, von dessen Seiten aus ein Starkstromzaun das gesamte Gelände von der Umgebung abschottete, blieb sie stehen. Zwei kugelrunde, metallisch glänzende Drohnen patrouillierten zu beiden Seiten des Haupteingangs in vier Metern Höhe. Ihre automatische Zielerfassung registrierte jeden, der den Versuch wagte, unbefugt in die Botschaft einzudringen.
»Guten Morgen, Miss Fisher«, begrüßte Conrad sie. In seine graue Uniform gepresst, saß er wie üblich hinter dem Sicherheitsglas des Wachhauses und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Morgen, Conrad.«
»Schon gehört? Für heute sind wieder 35 Grad angesagt. Hab meine Badehose eingepackt, falls es mir hier drin zu warm wird.« Sein Lachen dröhnte in ihren Ohren. Offenbar war seine Laune heute bestens.
Sie fischte ihre ID-Card aus der Handtasche, hielt sie vor einen Scanner und blickte in eine am Wachhaus eingelassene Linse. Ein Infrarotstrahl tastete ihre Iris ab und gab grünes Licht, womit Emmas Anwesenheit protokolliert war. Auf ein Nicken Conrads hin trat sie vor den Ganzkörperscanner.
»Danke, Miss Fisher, und einen schönen Tag noch«, lächelte Conrad.
»Von wegen schön«, murmelte sie und schritt mit stolz erhobenem Haupt in die Botschaft.
Der mit synthetischen Pflanzen modern eingerichtete Eingangsbereich empfing sie mit wohltemperierter Kühle. An den Wänden flimmerten die wichtigsten Nachrichtensender über riesige 3D-Monitore. Ohne darauf zu achten, steuerte Emma die Treppe an. Ihr Büro lag im dritten Stock. Wie öffentliche Verkehrsmittel mied sie auch Aufzüge, wann immer es ging. Als sie ihren Fuß gerade auf die erste Treppenstufe setzte, rief jemand ihren Namen.
»Emma! He, Emma!«
Sie stöhnte auf. O nein. Nicht auch noch der.
3
Sie tat, als höre sie nichts, und stieg die Treppe hinauf.
»Emma! Warte doch mal.«
Die Stimme gehörte Tom Holyfield, einem Kollegen und heimlichen Verehrer. Zwar hatte er ihr bisher nie eindeutige Avancen gemacht, doch war Tom äußerst leicht zu durchschauen. Er arbeitete einen Stock tiefer in der Konsularabteilung und war dort zuständig für die Neuausstellung sowie Verlängerung von Pässen. Nicht gerade aufregend. So gesehen passte der Job perfekt zu Tom. Eigentlich konnte Emma ihn ganz gut leiden, heute aber hätte sie liebend gern auf eine Begegnung mit ihm verzichtet. Schnaufend holte er sie ein. »Menschenskind, jetzt hetz doch nicht so.«
»Hi, Tom«, begrüßte sie ihn, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. »Ich bin spät dran. Bei mir stapelt sich die Arbeit.«
»Lust auf ’nen schnellen Kaffee?« Wie üblich verstand er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht.
»Nein, danke.«
»Ach komm, nur fünf Minuten.«
Emma hatte noch zwei Etagen vor sich, und sie wusste, Tom würde nicht lockerlassen. Zur Not würde er ihr bis ins Büro hinterherdackeln. Sie seufzte demonstrativ, blieb stehen und wandte sich ihm zu.
Tom
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