Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
Schulter an Schulter boten die rund neunzig
Beamten der Hundertschaft der Bereitschaftspolizei alle ihnen zur Verfügung
stehenden Kräfte auf und räumten schließlich die Straße. Es wurden Zäune aufgestellt
und der Unfallort wurde weiträumig abgesperrt.
Pfeifer, Beate und Leander traten durch das Tor.
„So eine Schweinerei, da kommt keiner mehr lebend raus.“ Dr. Bode
nickte in Richtung des lichterloh brennenden Instituts. Das Feuer wütete gleich
einem Inferno. Hell zeichneten sich die Flammen gegen den Nachthimmel ab. Es
knackte und knirschte, die Hitze war selbst hier, einen Kilometer entfernt,
nahezu unerträglich.
„Die
Laboratorien sind voll mit hochexplosiven Substanzen. Wir müssen damit rechnen,
dass sich giftige Dämpfe ausbreiten. Vor morgen oder sogar übermorgen können
wir da nicht rein.“ Ein Feuerwehrmann reichte den Beamten und Dr. Bode jeweils
eine Gasmaske.
Immer
wieder erschütterten kleinere Explosionen die Erde. Sie zogen als schwarzgraue
Rauchschwaden in den Himmel und verpesteten die Luft. Zwischenzeitlich war die
Menschenmenge draußen vor der Absperrung per Megafon über die Gefahren, die ein
Aufenthalt im Freien barg, aufgeklärt und gebeten worden, sich umgehend auf den
Weg nach Hause zu machen. Doch bei einigen obsiegte die Neugier. Sie blieben,
wo sie waren und nahmen, aus Angst etwas wirklich Wichtiges und vielleicht
sogar Schaurig-schreckliches zu verpassen, lieber eine Vergiftung in Kauf.
Pfeifer schüttelte den Kopf über die Unbelehrbaren. Er hatte noch nie
Verständnis für die sogenannten Gaffer gehabt, die ihr krankes Interesse am Tod
um jeden Preis befriedigen wollten.
Die
Bewohner der umliegenden Dörfer wurden mittels einer Radiodurchsage angehalten,
sich nicht im Freien aufzuhalten und Türen und Fenster zu schließen.
„Ja,
sieht so aus.“ Pfeifer gab sich wortkarg. Das hier war offensichtlich das Ende
von etwas, das er noch nicht in seinem vollen Umfang erfasste hatte. Er
befürchtete, dass er diesen Fall nie ganz aufklären würde. Denn alle
Beteiligten waren entweder tot oder verschwunden. Beate hatte ihm die
Thierry-Leclerc-Geschichte ausführlich erzählt, als er aus der Schweiz
zurückgekehrt war. Thierry würde, sobald er transportfähig war, in ein
deutsches Gefängniskrankenhaus verlegt werden. So lange wurde er abwechselnd
von deutschen und französischen Polizisten bewacht. Henry Duval hatte ihm
versichert, dass Thierry wohlbehalten in Deutschland ankommen würde. Leider
hatte der junge Mann keine weiteren Aussagen gemacht. Daher konnte auch niemand
so genau sagen, wo sein Vater sich zurzeit aufhielt. Sicher war nur eins:
Cedric Leclercs schwarze Limousine war von einem Zeugen gesehen worden, als sie
sich kurz vor der Explosion in rasantem Tempo vom Institut entfernt hatte. Der
Wagen war ihm verdächtig vorgekommen und er hatte sich vorsichtshalber das
Nummernschild notiert. Leander hatte es überprüft und es hatte ihn nicht
sonderlich überrascht, dass Cedric Leclerc in diese Multi Gen Pharma Sache
verwickelt zu sein schien.
46
Montag, 24. Oktober 2011
„Rufen Sie Ledoux noch einmal an und sagen Sie ihm, Cedric Leclerc
muss ihn dringend sprechen. Heute noch.“ Cedric war ziemlich verärgert darüber,
wie der Premierminister ihn behandelte. Er war es nicht gewohnt, warten zu
müssen. Schon gar nicht, wenn er ihm etwas so Wichtiges mitteilen wollte. Er
hielt die kleine Spritze mit der blauen Flüssigkeit hoch und betrachtete sie
ehrfurchtsvoll. „Enfin! Endlich bist du mein. Du und ich, wir werden zusammen
die Welt regieren.“ Seine Stimme war nur noch ein ehrfürchtiges Flüstern. Denn
Ehrfurcht vor Pro-Amin-Beta, das hatte er gewiss. Aber der Name! Pro-Amin-Beta.
Fürchterlich. Er klang wie eine Testversion eines Computerspiels. Ein neuer
Name musste her, und zwar sofort.
Ein
leises Klopfen unterbrach seine Träumereien und darüber war er nicht sehr
glücklich. „Es sollte lieber wichtig sein, bevor Sie hereinkommen“, warnte er.
Lex trat vorsichtig ein und blieb an der Tür stehen, ganz entgegen seiner
sonstigen Gewohnheiten.
„Ah, Lex. Approche -toi un peu plus près!“ Sein Leibwächter rührte sich nicht. „Tritt näher
und berichte, was es zu berichten gibt, und dann lass mich zufrieden. Ich warte
dringend auf einen Rückruf von Ledoux. Wann lernst du eigentlich endlich
Französisch?“
Lex
tat, wie ihm geheißen, ignorierte dabei jedoch die Frage nach seinem
Französisch. „Monsieur Leclerc, ich habe schlechte
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