BLUE - toedliche Magie
herauszufiltern. An Bord wird natürlich auch weiter nach den vermissten Mädchen gesucht, obwohl ein offizieller Transport von der Insel zurück zum Schiff definitiv nicht stattgefunden hat.“ Der Beamte machte eine kurze Pause. „Das Schiff musste inzwischen natürlich wieder seinen Kurs fortsetzen, aber die Ermittlungen laufen selbstverständlich ungehindert weiter. Da eine harmlose Erklärung oder gar ein Spaß unwahrscheinlich erscheinen, bleibt vermutlich nur noch die Version der Entführung. So wie die Schiffscrew dann noch die Mädchen beschrieben hat, vermuten wir leider tatsächlich professionelle Mädchenhändler hinter dieser Angelegenheit.“
„Angelegenheit. Mädchenhändler. Vanessa.“ Harald stammelte und umfasste seine Frau so fest, dass sie stöhnte.
„Kommen Sie doch erst einmal herein und dann erklären Sie uns alles noch einmal ganz genau.“
Nach den bekannten Fakten waren Vanessas Eltern am Boden zerstört. Alle drei Mädchen waren entführt oder ermordet worden, dessen waren sie sich sicher. Ein paar wenige Badeutensilien waren in einer einsamen Bucht auf der Insel gefunden worden, ebenso wie Vanessas Handy. Doch ansonsten fehlte von den Mädchen jede Spur.
„Gut, wir sind reich. Glauben Sie, dass die Entführer sich bei uns melden?“ Es war das Pflücken nach dem einzigen, dünnen Strohhalm. Der Versuch purer Hoffnung.
„Äh, wir glauben ...“, begann der männliche Beamte, wurde aber sofort von seiner Kollegin unterbrochen.
„Natürlich“, unterbrach ihn die Polizistin und knuffte ihren Kollegen unauffällig in den Oberschenkel. Diese Leute brauchten ein wenig Hoffnung und warum sollte sie ihnen die nicht geben? „Wenn die Leute auf Geld aus sind, dann werden sie sich sicher in der nächsten Zeit bei Ihnen melden. Allerdings gehen wir derzeit eher von gewöhnlichem Menschenhandel aus. In dieser Gegend ist leider alles möglich. Die Idylle dort trügt. Seepiraten und Drogendealer haben in dem Bereich alles fest in der Hand. Es wundert mich, dass die Reiseleitung überhaupt noch eine dieser Inseln ansteuert.“ Okay, das war nicht ganz die Version, die erschütterte Eltern beruhigte, auch wenn die Beamtin gerade einen möglichen Schuldigen auf dem Silbertablett präsentierte: Die Reiseleitung! Die hatte sicher einiges zu verantworten und würde vermutlich bis zu einem gewissen Grad den Kopf hinhalten müssen, doch das brachte natürlich die Mädchen nicht zurück. Erika Leiner schluchzte laut und ihr Mann versuchte sie zu beruhigen, flüsterte ihr etwas ins Ohr und streichelte über ihren Oberarm. Danach wandte er sich wieder an die beiden Polizisten.
„Was können wir denn jetzt tun? Ist der Fall bei Interpol oder wer ist dafür jetzt eigentlich zuständig?“
„Wir arbeiten mit Interpol zusammen, aber in erster Linie sind die Behörden vor Ort zuständig und dann natürlich noch wir hier. Vorerst werden wir einmal ihr Telefon verdrahten und einen Beamten auf Abruf bereitstellen.“
„Heißt das wir werden ab jetzt überwacht?“, krächzte Erika und griff nach der Hand ihres Mannes.
„Nein. Wir bitten Sie nur alle Telefonate mit dem Gerät, das in den nächsten zwanzig Minuten installiert wird aufzunehmen. An dieses Gerät können sie auch ihre Handys anschließen. Falls ein Anruf wegen Lösegeld erfolgen sollte, haben wir die Stimme des Verbrechers und Sie können den bereitgestellten Beamten sofort unter dieser Nummer erreichen.“ Damit übergab sie den beiden verstörten Eltern eine Visitenkarte.
„Der Kollege kommt dann zu jeder Tages- oder Nachtzeit.“ Die beiden starrten auf die lieblos gedruckte Karte mit der winzigen Schrift. Rainhard Adelmöller stand da, Kriminalbeamter und eine Handynummer. Mehr nicht. Erika blinzelte die Tränen weg und sah ihren Mann verzweifelt an. Beide konnten nicht fassen, was passiert war. Ihre Tochter und ihre beiden Freundinnen waren während ihrem Urlaub in einem vermeintlich harmlosen Naturparadies verschwunden. Drei junge Frauen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten! Erika stöhnte verzweifelt auf. Sie hatten keine Kosten gescheut und ihrem Mädchen zum ersten Mal eine Reise ohne Aufsicht gegönnt. Mit allem Drum und Dran und natürlich mit dem Glauben an Sicherheit. Wie um alles in der Welt hätten sie DAMIT rechnen können? Mit solch einem Schicksalsschlag? Und warum hatten sie nicht geahnt, dass mit dieser einen Entscheidung ihr Leben plötzlich völlig anders aussehen würde?
Zerstört.
Leer.
Doch sie durften
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