Blue
Halt-bloß-die-Klappe-Blick. „Wir müssen los, Lucy. Boss wartet auf uns.“ Mit diesen Wo r ten wandte Blue sich zu m G ehen . Es war ihr unangenehm , wenn jemand versuchte sie zu bemuttern.
Lucy sah sie mit schmalen Augen an. Sie glaubte Blue nicht ein einziges Wort. Doch dann wurde ihr Ausdruck wieder wärmer. „Falls du mich brauchst, bin ich für dich da. Nur damit du es weißt.“
Tom und Blue gingen schweigend den Korridor hinunter, bis sie vor Or i ons Tür angekommen waren. Plötzlich überkam sie Panik. Ihr Herz hä m merte hart gegen die Rippen und ein Schweißfilm bedeckte ihre Stirn und die Handflächen. Kraftlos sank sie gegen die Wand neben der Tür. In wenigen Augenblicken war es soweit und sie musste sich den Fragen stellen. Die ga n ze Geschichte noch einmal durchleben zu müssen, stellte sie vor eine bein a he unlösbare Aufgabe. Am liebsten wollte sie den ganzen Mist tief in sich vergraben und vergessen.
Tom stellte sich vor sie und stützte seine Hände links und rechts neben ihr an der Wand ab. Das Kinn war ihr auf die Brust gesunken und tief atmend kämpfte sie die Panik nieder. Mit mangelhaftem Erfolg.
„Sieh mich an, Blue.“
Tom hatte leise gesprochen. Für sie aber war es, als hätte er geschrien. Ihre Nerven lagen blank und sie war kaum fähig zu reagieren. Zögerlich hob sie den Kopf.
„Du schaffst das, Süße. Du hast schon Schlimmeres erlebt. Das jetzt ist doch nichts im Vergleich zu den letzten Wochen.“
Für einen Moment erlaubte sie sich in Toms grünen Augen zu versinken und kam tatsächlich etwas zur Ruhe. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er hatte sich in den letzten Wochen verändert. War ernster geworden. Die Kleidung, die er trug , unterstrich dieses Bild. Schwarze Cargohose, dunke l blauer anliegender Rollkragenpullover und Kampfstiefel. Unter der Bikerj a cke trug er eine Halbautomatik und am Rücken ein Messer. Die dunklen Haare hatte er wie immer nach „Out of bed “-Manier gestylt. Er wirkte selbstsicher und unerschütterlich. Er war zum Krieger geworden. Ihr Fels in der Brandung. Sie drückte sich von der Wand ab. „Du hast recht . Bringen wir es hinter uns.“
Er gab sie frei und legte seinen Arm um Blues Schultern. Dann betraten sie das Büro , ohne anzuklopfen. Die Szene , die sie vorfanden, erinnerte Blue an die Cosa Nostra. Boss saß hinter seinem Schreibtisch. Er trug einen schwa r zen Nadelstreifenanzug. Darunter ein weißes Hemd mit blutroter Krawatte. Sein dunkles Haar hatte er zurückgekämmt und in seinen Fingern hielt er eine dicke Havanna. Es fehlten nur noch die Gamaschen und der Geige n koffer.
Gabriel lümmelte auf der Couch, die an der Wand stand. Er trug wie g e wöhnlich schwarze Combathosen und ein graues Muscleshirt . Seine Füße , die über die Armlehne baumelten , steckten in Kampfstiefeln. Er war durch und durch Soldat. Immer einsatzbereit.
Boss hob den Kopf und sah sie an. Er erstarrte kurz . Sein Blick sprach Bände. Sorge und Erleichterung stand en in ihm. Die Augen, die ihr stets vertraut vor gekommen waren , seit ein paar Wochen wusste sie , woher sie sie kannte. Sie erinnerten sie an ihre eigenen. Ruckartig erhob er sich und kam auf sie zu. Er blieb vor ihnen stehen und breitete die Arme aus. Unfähig sich ihm zu nähern , senkte Blue den Blick. Sie ertrug es nicht, körperlichen Ko n takt zu anderen zu haben. Mit Ausnahme von Tom. In seiner Umarmung wollte sie sich verkriechen.
Boss kannte sie gut und wusste sofort , was bei ihr im Argen lag. Also n ö tigte er sie nicht dazu. Stattdessen drückte er ihr einen schnellen Kuss auf die Stirn. „Schön, dass du hier bist“, sagte er. Dann ging er zurück zum Schrei b tisch , öffnete eine Schublade und griff hinein. Als sie sah, was er hervorg e zaubert hatte, setzte ihr Herz aus. Boss hatte ihre SIG, den Dolch, ihr Handy und was am w ichtigsten war, das Medaillon , nacheinander auf die Tischplatte gelegt.
„ Deine Sachen . Wir haben die Waffe und das Medaillon auf dem Unig e lände gefunden. Das Handy und de n Dolch zwei Straßen weiter in einem Mülleimer.“
Mit zittrigen Händen nahm sie die Gegenstände an sich . Die SIG schob sie in den Hosenbund. Das Mobiltelefon wanderte in die Manteltasche und der Dolch fand seinen Platz im Stiefelschaft, wo er hingehörte.
Tom nahm ihr die Halskette ab. „Lass mich dir helfen.“ Er legte sie ihr um. „Der Verschluss war gerissen. Boss hat ihn reparieren lassen“, flüsterte er ihr ins Ohr und küsste sie sanft auf den
Weitere Kostenlose Bücher