Blüte der Tage: Roman (German Edition)
straff zurückgenommen und im Nacken zu einem Knoten gesteckt. Wenn sie Glück hatte, würden die Locken bis zum Ende des Gesprächs nicht herausspringen.
Rosalind Harper ließ sie warten. Vermutlich war das Taktik, überlegte Stella, während sie mechanisch an ihrem Uhrenarmband zupfte. Man ließ sie absichtlich in diesem beeindruckenden Salon mit den exquisiten Antiquitäten und Gemälden und dem herrlichen Blick aus den Fenstern schmoren.
In diesem eleganten Südstaaten-Ambiente, in dem sie sich als Yankee wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlte.
Hier im Süden liefen die Uhren langsamer, erinnerte sie sich. Sie musste sich wieder bewusst machen, dass hier eine andere Kultur herrschte.
Der Kamin war vermutlich ein Adams, überlegte sie. Die Lampe ganz eindeutig eine originale Tiffany. Nannte man hier im Süden die Vorhänge Portiere oder war das zu sehr Scarlett O’Hara? Und waren die Spitzengardinen unter den Vorhängen Erbstücke?
Gott, sie fühlte sich absolut fehl am Platz. Was hatte eine aus der Mittelschicht stammende Witwe aus Michigan in dieser luxuriösen Südstaatenumgebung verloren?
Als sich aus der Eingangshalle Schritte näherten, atmete sie tief durch und setzte eine neutrale Miene auf.
»Ich bringe Kaffee.« Es war nicht Rosalind, sondern der freundliche Hausangestellte, der Stella die Tür geöffnet und sie in den Salon geleitet hatte.
Er war etwa dreißig Jahre alt, mittelgroß und sehr schlank, mit glänzendem braunen Haar, das sich um sein gut geformtes Gesicht wellte. Obwohl er schwarz trug, wirkte er nicht wie ein Butler oder Diener. Dazu war er zu schick, zu bohemienhaft. Er hatte sich mit David vorgestellt.
Gekonnt setzte er das Tablett mit der Porzellankanne, den Tassen, den Leinenservietten, der Zuckerdose, dem Milchkännchen und der kleinen Vase mit einem Veilchenstrauß auf dem Tisch ab.
»Roz wurde aufgehalten, aber sie wird gleich kommen. Trinken Sie schon einmal ein Tässchen Kaffee. Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Ja, sehr.«
»Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«
»Nein, danke.«
»Entspannen Sie sich einfach«, ordnete er an, während er ihr den Kaffee einschenkte. »Nichts geht über ein Kaminfeuer im Januar, finden Sie nicht auch? Es lässt einen vergessen, dass es noch vor wenigen Monaten heiß genug war, um einem die Haut von den Knochen zu schmelzen. Wie trinken Sie Ihren Kaffee, Schätzchen?«
Stella war es nicht gewöhnt, von fremden Männern, die ihr in vornehmen Salons Kaffee servierten, »Schätzchen« genannt zu werden. Vor allem, wenn die Männer ein paar Jahre jünger waren als sie.
»Nur etwas Sahne.« Sie musste sich zwingen, ihn nicht anzustarren. Mit den sinnlichen Lippen, den saphirblauen Augen, den kräftigen Wangenknochen und dem sexy Grübchen im Kinn sah er einfach umwerfend aus. »Arbeiten Sie schon lange für Mrs. Harper?«
»Seit Ewigkeiten.« Mit charmantem Lächeln reichte er
ihr den Kaffee. »Wenigstens kommt es mir so vor, was ich als Kompliment meine. Ein kleiner Rat an Sie: Geben Sie klare Antworten auf klare Fragen und lassen Sie sich nicht einschüchtern.« Sein Lächeln wurde breiter. »Sie hasst es, wenn Leute vor ihr kuschen. Sie haben übrigens ganz wunderbares Haar, Schätzchen.«
»Oh.« Unwillkürlich hob sie die Hand an ihr Haar. »Danke.«
»Tizian wäre von Ihnen begeistert gewesen. Viel Glück mit Roz«, sagte er im Hinausgehen. »Klasse Schuhe übrigens.«
Sie seufzte innerlich. Er hatte ihr Haar und ihre Schuhe bemerkt und ihr für beides Komplimente gemacht. Eindeutig schwul. Welch Verlust für die Weiblichkeit!
Der Kaffee war gut, und David hatte Recht. Ein Kaminfeuer im Januar war in der Tat sehr behaglich. Draußen war es feucht und trübe. O ja, man könnte sich durchaus daran gewöhnen, an Wintertagen vor dem Kamin zu sitzen und einen guten Kaffee aus – welches Porzellan war es? Meissner? Wedgwood? – zu trinken. Neugierig hob sie die Tasse, um den Herstellerstempel zu überprüfen.
»Es ist Staffordshire, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von einer der Harper-Bräute aus England hierher gebracht.«
Es hatte keinen Sinn, sich zu verwünschen. Keinen Sinn, sich zusammenzukrümmen, weil ihre für Rothaarige typische helle Haut vor Verlegenheit knallrot anlief. Also senkte sie die Tasse und sah Rosalind Harper unerschrocken in die Augen.
»Das Service ist wunderschön.«
»Finde ich auch.« Zwanglos ließ sich Mrs. Harper auf
den Stuhl neben Stella nieder und schenkte sich eine Tasse Kaffee
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