Blüte der Tage: Roman (German Edition)
Ich kann mit jedem Schritt halten.«
Vielleicht, dachte Roz. Aber auch nur vielleicht. »Zeigen Sie mir Ihre Hände.«
Leicht verärgert streckte Stella die Hände aus. Roz stellte ihre Kaffeetasse ab, ergriff Stellas Hände, drehte die Handflächen nach oben und fuhr mit den Daumen darüber. »Hm, Sie können arbeiten.«
»Ja, das ist richtig.«
»Das schicke Kostüm hat mich irritiert. Obwohl es Ihnen sehr gut steht.« Lächelnd schob sich Roz das restliche Plätzchen in den Mund. »In den letzten Tagen war es ziemlich feucht. Mal sehen, ob wir ein Paar Stiefel für Sie finden, damit Sie sich Ihre hübschen Schuhe nicht ruinieren. Ich möchte mit Ihnen eine Führung machen.«
Die khakifarbenen Gummistiefel waren zu groß und alles andere als schmeichelnd, doch der feuchte Boden und der grobe Kies wären für ihre neuen Schuhen eine Katastrophe gewesen.
Und als sie dann den Betrieb sah, den Rosalind aufgebaut hatte, verschwendete sie keinen Gedanken mehr an ihr Äußeres.
Die Gärtnerei erstreckte sich über die westliche Seite des Grundstücks. Das Gartencenter lag zur Straße hin, und die freien Flächen am Eingang und zu beiden Seiten des Parkplatzes waren wunderbar gestaltet. Sogar jetzt, im Januar, konnte Stella erkennen, wie viel Sorgfalt und Fantasie in der Anordnung der Nadel- und Zierbäume und den gemulchten Anhöhen lagen, in denen, wie Stella vermutete, vom Frühling bis in den Herbst hinein ein Farbenmeer aus bunten Blumen und Stauden wogen würde.
Sie wollte den Job nicht nur. Nein, nach nur einem Blick verzehrte sie sich danach. Spürte dieses Verlangen sogar körperlich, als hätte sie einen Geliebten vor sich.
»Der Verkaufsbereich ist nicht ohne Grund ein ganzes Stück vom Haus entfernt«, sagte Roz, während sie den Lastwagen parkte. »Ich will aus meinem Wohnzimmerfenster schließlich keine Kunden mit Pflanzenkübeln sehen. Die Harpers sind übrigens immer unternehmerisch tätig gewesen. Früher wurde hier Baumwolle angebaut.«
Vor Aufregung konnte Stella nur nicken. Das Haus war von hier aus nicht zu sehen. Ein natürlicher kleiner Wald trennte es von dem Verkaufscenter und dem Gärtnereibetrieb mit den langen niedrigen Außengebäuden und Gewächshäusern ab.
»Das Gartencenter ist zwölf Monate im Jahr geöffnet«, fuhr Roz fort. »Wir führen alle gängigen Garten- und Zimmerpflanzen, sowie Gartenartikel und eine Auswahl von Gartenbüchern. Mein ältester Sohn hilft mir bei der Leitung dieser Abteilung, wiewohl er lieber im Freien oder in den Gewächshäusern arbeitet. Im Moment haben wir für den Verkauf zwei Teilzeitangestellte. In einigen Wochen werden wir mehr benötigen.«
Bring dich mehr ein, mahnte sich Stella. »In dieser Klimazone dürfte die hektische Zeit im März beginnen.«
»Richtig.« Roz führte sie über die Asphaltrampe in das niedrige weiße Verkaufsgebäude.
Zu beiden Seiten des Eingangs befand sich je eine lange breite Ladentheke. Die Regale waren mit Dünge- und Unkrautvernichtungsmitteln bestückt und in Drehständern befand sich ein Riesensortiment an Samen. In anderen Regalen standen Bücher und bunte Übertöpfe für
Kräuter oder Zimmerpflanzen. Daneben gab es eine Auswahl von Windspielen, Zierplatten und ähnlichem.
Eine Frau mit schneeweißem Haar wischte gerade in einem Regal Staub. Sie trug eine hellblaue, an der Vorderseite mit Rosen bestickte Strickjacke und darunter eine weiße, gestärkte Bluse.
»Ruby, das ist Stella Rothchild. Ich führe sie gerade herum.«
»Guten Tag, Mrs. Rothchild.«
Der prüfende Blick verriet Stella, dass die Frau genau wusste, in welcher Angelegenheit sie hier war, doch ihr Lächeln war herzlich. »Sie sind Will Dooleys Tochter, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig.«
»Aus ... aus dem Norden.«
Es hörte sich an, als handelte es sich um ein Entwicklungsland von zweifelhaftem Ruf. »Ja, aus Michigan. Aber ich bin in Memphis geboren.«
»Tatsächlich?« Ihr Lächeln wurde noch eine Idee herzlicher. »Tja, wie das Leben so spielt. Dann sind Sie wohl schon als Kind weggezogen, oder?«
»Ja, mit meiner Mutter.«
»Und jetzt spielen Sie mit dem Gedanken, wieder hierher zu ziehen?«
»Das ist bereits geschehen«, erklärte Stella.
»Nun denn«, sagte die Frau bedächtig, als würde sich alles Weitere von selbst finden. »Scheußliches Wetter«, fuhr sie fort. »Da bleibt man am besten drinnen. Sehen Sie sich ruhig überall um.«
»Danke. Es gibt kaum einen Ort, wo ich lieber bin, als in einer
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