Blüte der Tage: Roman (German Edition)
in der Nähe von Roz.«
»Etwa zwei Meilen entfernt.« Als die Hauptgerichte serviert wurden, schnitt Logan ein Stück seines Katzenwels’ ab und legte es auf Stellas Teller.
Misstrauisch beäugte Stella es. »Hmmm.«
»Ich wette, du erzählst deinen Kindern ständig, sie wüssten erst dann, ob sie etwas mögen oder nicht, wenn sie es probiert haben.«
»Einer der Vorteile am Erwachsensein ist, dass man Dinge sagen kann, ohne sie auf sich selbst zu beziehen. Aber bitte.« Todesmutig piekste sie ein winziges Stück Fisch auf die Gabel und aß es. »Interessant«, sagte sie dann. »Schmeckt gar nicht mal so schlecht. Nein, es ist wirklich gut.«
»Oho, allmählich setzt sich dein Südstaatenerbe durch. Als Nächstes wirst du Hafergrütze probieren.«
»Das habe ich schon mal gegessen. Wie auch immer, machst du deine Gartenarbeit selbst?«
»Ja, größtenteils. Das Grundstück ist etwas hügelig. Im Norden habe ich einen schönen alten Baumbestand: Platanen, Walnussbäume und dazwischen wilde Azaleen, Lorbeerrosen und einige typischen Südstaatenpflanzen. Der Vorgarten ist auch recht ansehnlich, und am hinteren Ende des Grundstücks fließt ein kleiner Bach.«
»Und das Haus?«
»Was soll damit sein?«
»Was für ein Haus ist es?«
»Oh. Zwei Stockwerke. Etwas zu groß für mich, aber es gehörte zum Grundstück dazu.«
»So etwas in der Art werde ich mir in ein paar Monaten auch suchen. Falls du von einer Immobilie hören solltest, dann gib mir doch bitte Bescheid.«
»Klar, mach ich. Gefällt’s den Kindern bei Roz?«
»Sehr. Aber irgendwann müssen wir uns nach etwas Eigenem umsehen. Die Kinder brauchen ein eigenes Zuhause. Es muss nichts Großartiges sein – das könnte ich mir sowieso nicht leisten. Auch gerne renovierungsbedürftig. Ich bin, wie gesagt, handwerklich sehr geschickt. Und vor allem sollte es dort nicht spuken.«
Erst als sie seinen fragenden Blick bemerkte, wurde ihr bewusst, was sie da eben gesagt hatte. »Das muss der Wein sein«, sagte sie kopfschüttelnd. »An diese Sache habe ich im Moment gar nicht gedacht.«
»Erzähl.«
»Heute habe ich zum ersten Mal diesen Geist gesehen – oder glaubte, ihn zu sehen«, berichtigte sie sich, »der
angeblich im Harper-Haus herumspukt. Ich sah ihn in meinem Zimmer, im Kommodenspiegel, kurz bevor du mich abgeholt hast. Es war ganz sicher nicht Hayley, obwohl ich mir das zunächst einreden wollte. Sie kam erst einen Augenblick später herein. Und außer mir war niemand sonst im Zimmer. Trotzdem ... das ist unmöglich. Ich muss mich getäuscht haben.«
»Klingt, als versuchtest du nach wie vor, dir etwas einzureden.«
»Ich bin eine vernünftige Frau, schon vergessen?« Sie tippte mit dem Finger an ihren Kopf. »Vernünftige Frauen sehen keine Gespenster und hören sie auch nicht, wie sie Schlaflieder singen. Oder spüren sie.«
»Auf welche Art spüren?«
»Ein eisiger Hauch, ein ... Gefühl.« Sie überspielte ihr jähes Erschaudern mit einem Lachen. »Ich kann es nicht erklären, weil es keine Erklärung gibt. Und heute Abend war dieses Gefühl besonders intensiv. Kurz, aber intensiv. Und feindselig. Nein, das ist nicht richtig. ›Feindselig‹ ist zu stark. Eher missbilligend.«
»Warum redest du nicht mit Roz darüber? Sie könnte dir die Geschichte, soweit sie ihr bekannt ist, erzählen.«
»Stimmt. Mal sehen. Du hast den Geist nie gesehen?«
»Nein.«
»Oder ihn gefühlt?«
»Nein, nicht direkt. Aber manchmal bei der Arbeit, wenn ich irgendein Grundstück ablaufe oder umgrabe, dann spüre ich etwas. Alles, was man anpflanzt, hinterlässt seine Spuren in der Erde, sogar wenn es abstirbt oder verwelkt. Warum sollte also ein Mensch keine Spur hinterlassen?«
Über diese Frage wollte sie später nachdenken, wenn
sie weniger abgelenkt wäre. Denn sosehr sie auch dagegen ankämpfte, sie merkte, wie sehr sie Logans Gesellschaft genoss. Und wie schwer sie sich seiner Anziehungskraft entziehen konnte. Wenn das so weiterginge, würden sie unweigerlich früher oder später im Bett landen.
Und das würde alle möglichen Komplikationen nach sich ziehen. Zumal sie sich bei der Arbeit ständig über den Weg liefen. Sie arbeiteten für dieselbe Person, im selben Betrieb. In dieser Umgebung konnte man kaum eine Affäre haben, ohne dass die anderen Mitarbeiter es merkten.
Darüber sollte sie sich wirklich Gedanken machen. Und wie unangenehm es wäre, wenn alle Welt über ihr Privatleben Bescheid wüsste.
Nach dem Essen spazierten sie
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