Blüte der Tage: Roman (German Edition)
ihre Söhne vor dem Unerklärlichen zu beschützen.
ZWÖLFTES KAPITEL
Roz stand im Gewächshaus und wässerte die Kästen mit den Einjährigen, die sie im Winter ausgesät hatte. Bald konnten sie zum Verkauf hinausgestellt werden. Sie bedauerte es immer ein wenig, dass sie die Pflanzen anderen Leuten überlassen musste. Denn beileibe nicht alle Kunden hatten grüne Daumen.
Manche Pflanzen würden an Vernachlässigung eingehen, andere, weil sie zu viel oder nicht genügend Sonne erhielten. Jetzt waren die Pflanzen gesund und kräftig.
Und es waren ihre.
Sie musste sie loslassen, genauso wie man Kinder gehen lassen musste. Und wie bei ihren Söhnen konnte sie nur hoffen, dass die Pflanzen ihre Schönheit entfalten würden.
Sie vermisste ihre Söhne. Das war ihr erst jetzt bewusst geworden, als ihr Haus wieder vom Geplapper, Gelächter und Getobe kleiner Jungen erfüllt war. Zum Glück wohnte Harper in der Nähe. Sie musste nur aufpassen, dass sie ihn nicht zu sehr mit ihren Sorgen und Nöten belastete.
Aber er war schon längst nicht mehr ihr kleiner Junge. Obwohl er in Rufweite wohnte und sie beide oft zusammenarbeiteten, würde er nie mehr nur ihr gehören.
Und auch bei ihren beiden anderen Söhnen musste
sie sich mit gelegentlichen Besuchen, Telefonaten und EMails zufrieden geben. Und dem Wissen, dass sie sich ihr eigenes Leben aufbauten.
Sie hatte sie umsorgt, genährt, großgezogen – und sie gehen lassen.
Sie wollte keine dieser übermächtigen, erdrückenden Mütter sein. Wie Pflanzen brauchten auch Söhne Luft und Raum. Und trotzdem – manchmal würde sie die Zeit gern zehn Jahre zurückdrehen und ihre kleinen süßen Jungen wieder im Arm halten.
Doch diese Gedanken machten sie nur trübsinnig, mahnte sie sich, während sie das Wasser abdrehte. In dem Moment kam Stella herein und stieß einen wohligen Laut aus.
Roz lachte. »Es gibt nichts Besseres als den Geruch von feuchter Erde, nicht wahr?«
»Aber nur für so leidenschaftliche Gärtner wie uns«, erwiderte Stella. »Wunderhübsch, diese Ringelblumen. Ein wahre Pracht. Ich habe Sie heute früh vermisst.«
»Ich bin zeitig aufgestanden. Am Nachmittag findet dieses Treffen des Gartenvereins statt. Ich werde im Mittelbereich des Ladens zwei Dutzend Fünfzehner-Töpfe aufstellen.«
»Gute Reklame. Übrigens nochmals vielen Dank, dass Sie gestern auf meine Jungs aufgepasst haben.«
»Ich habe es genossen. Sehr sogar. Hatten Sie einen netten Abend?«
»O ja. Wäre es für Sie ein Problem, wenn Logan und ich auch privat miteinander verkehren?«
»Warum sollte es?«
»Wenn man im selben Betrieb arbeitet ...«
»Erwachsene Menschen sollten in der Lage sein, ihr
eigenes Leben zu führen, ungeachtet der jeweiligen Umstände. Sie sind beide ungebunden. Ihr Privatleben ist Ihre Sache.«
»Ihnen ist sicher klar, was ich mit dem Ausdruck ›privat miteinander verkehren‹ umschreiben will.«
Roz begann, die Petunien zurückzuschneiden. »Stella, wenn Sie mit einem Mann wie Logan keinen Sex haben wollten, würde ich mir ernsthafte Sorgen um Sie machen.«
»Oh. Diesbezüglich werden Sie sich wohl keine Sorgen machen müssen. Aber ... Nun ja, ich arbeite für Sie, wohne in Ihrem Haus ... Sie sollten wissen, dass ich keine Nymphomanin bin.«
»Auf den Gedanken wäre ich jetzt nicht gekommen.« Sie sah kurz von ihrer Arbeit auf. »Sie sind viel zu vorsichtig, zu überlegt und zu pflichtbewusst, um nymphoman zu sein.«
»Eine freundliche Umschreibung für bieder«, murmelte Stella.
»Nein, ganz und gar nicht. Aber selbst wenn Sie nymphoman wären, würde mich das nichts angehen. Sie brauchen meine Zustimmung nicht.«
»Das möchte ich aber – weil ich für Sie arbeite und bei Ihnen wohne. Und weil ich Sie respektiere.«
»Na schön.« Roz ging zu den Geranien weiter. »Sie haben mein Okay. Mir war vor allem deshalb wichtig, dass Sie bei mir wohnen, weil ich Sie kennen lernen wollte. Auf privater Ebene. Mein Betrieb bedeutet mir mehr, als dass er nur dem Lebensunterhalt dient. Mein Herzblut hängt daran. Wenn ich also nach einigen Wochen zu dem Entschluss gekommen wäre, dass ich Sie nicht mag und nicht um mich haben möchte, hätte ich Sie gefeuert.
« Sie sah Stella fest an. »Auch wenn Sie noch so qualifiziert gewesen wären. Qualifizierte Kräfte gibt es genug.«
»Danke.«
»Ich denke, ich werde ein paar dieser Geranien, die bereits eingetopft sind, in den Verein mitnehmen. Das spart mir Zeit und Ärger. Außerdem haben wir genügend
Weitere Kostenlose Bücher