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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Staubkorn...“
    „Zum Wohl“, murmelte ich.
    Nachdem wir ausgetrunken hatten, bestellte ich
die zweite Runde. Das erste Glas macht mich immer durstig. Joseph, der
offensichtlich keinen Alkohol vertrug, wurde zusehends rührseliger.
    „Als ganz kleinen Knirps habe ich ihn schon
gekannt“, fuhr er in seinem Nachruf fort. „Wer hätte das gedacht? Selbstmord!
Ja, es passieren die seltsamsten Dinge auf dieser Welt... Wie mit der Köchin...“
    „Mit welcher Köchin?“
    „Ja, die Köchin... Amélie... Eine Trinkerin und
Diebin. Stiehlt, um zu trinken, und trinkt alles, was sie kriegen kann... Wie
die Amerikaner... Hab gehört, die trinken sogar Kölnisch Wasser...“
    „Stimmt.“
    „Amélie genauso. Einmal hat sie sich auf eine
Flasche Byrrh gestürzt, die irgendein Zeug für Blumen enthielt. Seitdem
ist ihr Magen verkorkst, aber eine Lehre war es ihr nicht... Sie schluckt alles
mögliche. Das Tintenfaß hier zum Beispiel, sehen Sie? Wenn man ihr das
vorsetzt, schluckt sie das auch.“
    „Einschließlich Faß?“
    „Ich merke, Sie nehmen mich nicht ernst.
Dabei... Vor vier Tagen habe ich mir Tinte gekauft...“
    „Um an Ihre Tante zu schreiben?“
    „Nein, Monsieur, an meine Schwester. Und ich
möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, daß ich die Briefmarken von Monsieur
nie angerührt habe! Weder die Marken noch die Tinte noch sein Briefpapier...
Als ich eben meiner Schwester von dem Unglück berichten wollte, war die Tinte
weg! Ein unangebrochenes Fäßchen! Sie muß es mir geklaut haben. Diese Person
ist zu allem fähig...“
    „Sie stammen nicht aus dem Süden, stimmt’s?“
    „Doch, Monsieur“, antwortete er beleidigt, „aus
Pézenas.“ Er warf einen Blick auf die Wanduhr, trank sein Glas aus (er trank
nämlich nicht!), steckte das Tintenfaß ein und verabschiedete sich steif, den
Oberkörper leicht vorgebeugt. Als wäre Dédé oder ich die Pompadour!
    „Der sollte lieber Wasser trinken“, lachte der
Wirt. „Komischer Kauz!“
    Ich folgte dem komischen Kauz mit den Augen.
Sollte es mir in den Sinn kommen, den mysteriösen Brief der stürmischen Nacht
zu suchen, zu finden und zu identifizieren, dann brauchte ich mich nicht auf
rote Tinte zu konzentrieren.
    Pierre de Fabrègues hatte seine
Vorsichtsmaßnahmen getroffen.

Das
Attentat
     
    Noch vor dem Mittagessen rief ich Jacqueline
Andrieu an. Ich entschuldigte mich, weil ich sie versetzt hatte, und kündigte
ihr den kurz bevorstehenden Besuch von Kommissar Pellegrini an. Sie wurde ganz
aufgeregt. Ich empfahl ihr, sich einfach an das zu halten, was wir verabredet
hatten. Kein Grund zur Panik. Dynamit-Burma würde ihr schon beistehen!
    Danach ging ich zum Fernsprechamt und erkundigte
mich nach den Telefonaten, die Fabrègues in den letzten Tagen geführt hatte.
Der Amtsvorsteher zeigte sich von seiner liebenswürdigsten Seite, verwehrte mir
jedoch nichtsdestoweniger seine Hilfe. Die Visitenkarte eines Privatdetektivs
schien ihm nicht auszureichen, um die Geheimnisse des Fernmeldewesens zu
enthüllen.
    Nach einer leichten Mahlzeit lud mich Milandre,
der nicht von meiner Seite gewichen war, zu einem Weinbrand in sein Haus ein.
Halb Künstler, halb Gauner, dazu ein ganzes Pumpgenie — wenn man ihm 100 Francs
lieh, sah man den Schein nie wieder: Mit Dédé verstand ich mich ausgezeichnet.
Erstaunlich, daß er mich in den zwei Tagen, die ich jetzt in Cannes weilte,
noch nicht zu sich nach Hause eingeladen hatte. Als ich sein Heim betrat,
begriff ich, warum.
    Die meisten Zimmer waren leer, und die Möbel in
den anderen waren recht jämmerlich. Trotz Villa und Auto schwamm Dédé nicht in
Geld. Seine Erbschaft mußte ihm wohl nur so durch die Finger geronnen sein.
    Er schob zwei Sessel für uns zurecht, von denen
einer an mehreren Stellen zerschlissen war. Dann stellte er zwei Senfgläser und
eine Flasche mit drei Sternen auf den Tisch. Ich stopfte mir eine Pfeife. Der
Verdauungsprozeß konnte beginnen.
    „Nun“, sagte Dédé nach dem ersten Schluck, „wie
weit sind Sie?“
    „Nicht viel weiter als gestern“, gestand ich.
    „Sie werden doch eine Idee haben, oder? Die
Namenliste, zum Beispiel...“
    Er nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an
und putzte sie mit einem Taschentuch.
    „Damit wollte ich mich nur wichtig tun“,
antwortete ich. „Ich konnte doch Fabrègues nicht sagen, daß ich völlig im
dunkeln tappte.“
    „Verstehe. Dann können wir sie also wegschmeißen,
ja?“
    „Nein, das nun auch wieder nicht. Vielleicht
brauchen

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